Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
verfolgt, sondern auch japanische Christen. Viele waren wegen ihres Glaubens festgenommen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Dieser Mann hatte sehr viel riskiert, indem er ihnen half.
Der Teehausbesitzer vergewisserte sich, dass sie unbeobachtet waren, und schlug ein Kreuz. »Gott sei mit dir.«
»Und mit dir«, antwortete Jack.
»Wir müssen los!«, drängte Hana.
Jack führte Hana im Zickzack durch Kyoto, immer in Richtung Burg, deren gewaltiger Hauptturm über den Dächern der Stadt aufragte. Insgeheim hoffte er, dass Daimyo Takatomi und seine Tochter Emi noch dort wohnten und er bei ihnen unterschlüpfen konnte. Doch als sie sich den äußeren Befestigungen näherten, musste er erkennen, dass er sich geirrt hatte.
Die Posten, die das Haupttor bewachten und auf den hohen Mauern entlang des Burggrabens patrouillierten, trugen nicht das Wappen Daimyo Takatomis, den weißen Kranich, sondern die rote Sonne Oda Satoshis, des Vaters von Kazuki. Offenbar hatte der Shogun ihn für seine Dienste im Krieg mit der Herrschaft über die angesehene Provinz Kyoto belohnt.
Jack hätte sich ohrfeigen können. Die Burg Nijo war ihm spontan als sicherster Treffpunkt eingefallen, aber natürlich würde auch Kazuki hierher zurückkehren.
Rasch erklärte er Hana ihre missliche Lage. »Wir müssen weiter«, schloss er.
Er senkte den Kopf und ging weiter. Ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen, ließ er sich allein von seinem Instinkt leiten. Sie bogen um eine Ecke, gingen eine breite Straße entlang und schickten sich an, sie zu überqueren, als Jack plötzlich stehen blieb.
»Wohin jetzt?«, fragte Hana.
Jack hob den Kopf, um sich zu orientieren, und bei dem Anblick, der sich ihm jetzt bot, wurde ihm schwach in den Knien. Vor sich sah er ein Eingangstor aus dunklem Zypressenholz und weiß getünchte Lehmmauern. Über dem Tor prangte in Holz geschnitzt ein großes Wappen. Es zeigte einen Phönix, dessen brennende Flügel gebrochen, aber dennoch trotzig ausgebreitet waren.
»Also hier sind wir«, sagte er leise, und von Gefühlen überwältigt, traten ihm Tränen in die Augen. Er war, ohne nachzudenken, geradewegs zur Niten Ichi Ryu gegangen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Hana.
Jack schluckte und nickte stumm. Zögernd näherte er sich dem äußeren Tor. Das Holz war verschrammt und verwittert und an einigen Stellen gesplittert. Quer darüber war ein großes Brett genagelt. Mit den Fingern fuhr er über die darin eingeritzten Schriftzeichen.
»Was steht da?«, fragte Hana mit ehrfürchtig gedämpfter Stimme.
Jack versuchte angestrengt, sich an die Zeichen zu erinnern, die er von Akiko gelernt hatte. »Auf Befehl des Shoguns geschlossen«, antwortete er.
Er spähte mit einem Auge durch eine Ritze. Hinter dem Tor lag seine alte Schule, wie er sich an sie erinnerte – mit dem grau gekiesten Hof, auf dem sich immer alle getroffen hatten, und dem Ehrfurcht gebietenden Butokuden, der berühmten Unterrichtshalle für den Schwertkampf und den waffenlosen Kampf. Rechts führte eine Treppe zu Sensei Yamadas Buddha-Halle hinauf, in der er Unterricht in Zen-Meditation erhalten hatte und in der eine riesige Tempelglocke von der Größe eines Findlings hing.
Dahinter konnte Jack gerade noch die rotbraunen Dachziegel der Halle der Schmetterlinge erkennen, so benannt nach den herrlichen Bildern von Schmetterlingen und Kirschbäumen, die den prächtigen Innenraum schmückten. Am anderen Ende des Geländes waren Masamotos Wohnung und seine persönliche Übungshalle, die Halle des Phönix, zu sehen, in der einige wenige Auserwählte in der geheimen Kunst der beiden Himmel unterrichtet wurden. Daran schloss der Südliche Zen-Garten an und ganz links lag die Halle der Löwen, in der die Samuraischüler schliefen.
Jack kniff verwirrt die Augen zusammen. Alles war da und schien nur auf seine Rückkehr zu warten. Doch dann erkannte er nach und nach die Wahrheit. Vor lauter Aufregung hatte die Einbildung ihm einen Streich gespielt. Der Hof war nicht geharkt und überall lagen Trümmer und altes Laub herum. Die Türflügel der Buddha-Halle hingen schief in den Angeln und neben dem Butokuden waren die verkohlten Grundmauern der Halle des Falken zu erkennen – des ersten Gebäudes, das Kazuki angezündet hatte. Die Halle der Löwen dahinter war völlig ausgebrannt. Nur noch eine Wand stand.
Niemand war zu sehen, kein Schüler und kein Lehrer. Alles wirkte wie tot.
Aber irgendjemand muss doch da sein, hoffte Jack inbrünstig.
»Der
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