Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
empfangen.
Doch schließlich näherten sich die schlurfenden Schritte wieder. Ein Riegel klickte und das Tor schwang auf. Ein alter Mann mit verschlagenem Blick winkte sie ungeduldig ins Innere.
»Lasst Eure Schwerter hier«, krächzte er und wies auf ein Gestell in der Eingangshalle.
Ronin sah ihn finster an. »Wir sind in einer Schwertschule. Dann erwartest du doch bestimmt nicht, dass ich ohne meine Schwerter herumlaufe.«
Der Alte musterte Ronin von oben bis unten und kam offenbar zu dem Schluss, dass ein Streit den Ärger nicht lohnte. »Wie Ihr wollt. Es wäre nur zu Eurer eigenen Sicherheit gewesen. Wer eine Waffe trägt, kann jederzeit und von jedem hier zu einem Zweikampf herausgefordert werden. Eine Ablehnung ist nicht zulässig. Vorschrift der Schule.«
Ronin verzog angesichts dieser versteckten Drohung keine Miene. Der Alte bedachte ihn für seine Unverfrorenheit mit einem finsteren Blick und führte sie einen Gang entlang. Er bat Jack nicht einmal, den Hut abzunehmen. Durch ein vergittertes Fenster erhaschte Jack einen flüchtigen Blick in einen Hof, in dem Samuraischüler in langen Reihen angetreten waren und mit Übungsschwertern kämpften. Sie hoben und senkten die hölzernen Waffen im Gleichtakt und schrien dazu laut kiai . Jack dachte wehmütig an seine Zeit an der Niten Ichi Ryu zurück.
Der Alte führte sie in ein Empfangszimmer, das mit hellbraunen Strohmatten ausgelegt war und an dessen Ende sich eine Plattform aus poliertem Zedernholz erhob. An der Wand hing eine Rolle mit Schriftzeichen. Jeder Pinselstrich erinnerte an einen Schwerthieb.
»Wartet hier«, sagte der Alte und schloss die Tür hinter sich.
Sobald sie allein waren, hob Jack den Kopf.
»Glaubst du …«
»Kopf runter und Mund halten!«, zischte Ronin. »Bestimmt werden wir beobachtet.«
Er bedeutete Jack, respektvoll vor dem Podium zu knien, und kniete sich neben ihn. Schweigend warteten sie.
Nach einer Weile ging am anderen Ende des Raums eine Schiebetür auf und ein Mann trat ein. Jack riskierte einen verstohlenen Blick. Der Mann war jung und kräftig und strotzte nur so vor Selbstbewusstsein, dass es schon fast arrogant wirkte. Er kniete sich auf die Plattform und schlug die Falten seines hakama mit scharfen, präzisen Bewegungen zur Seite. Sein Scheitel war rasiert, die restlichen Haare hatte er zu einem straffen Knoten aufgebunden, wie es sich für einen Samurai seines Ranges gehörte. Bekleidet war er mit einem leuchtend grün-schwarzen Kimono mit lila schillernden Punkten wie auf den Schwanzfedern eines Pfaus. Er hatte ein ebenmäßiges, aber strenges Gesicht. Die schwarzen Augenbrauen waren ein wenig zu beherrschend, die Mundwinkel ständig nach unten gezogen.
Er sah zuerst Ronin an und betrachtete dann misstrauisch den unter einem Hut verborgenen Jack.
»Willkommen in der Yagyu Ryu, der Neuen Schatten-Schule – der Heimat der offiziellen Schwertmeister des Shoguns.«
»Vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit für ein Gespräch mit uns nehmt«, sagte Ronin und verbeugte sich tief. Jack folgte seinem Beispiel.
Araki erwiderte den Gruß, ohne die beiden aus den Augen zu lassen. »Mit Bedauern habe ich vom Tod Eures Vaters gehört«, sagte er. Seine Stimme klang keineswegs bedauernd. »Man hat mir gesagt, Ihr wäret ebenfalls tot.«
Ronin verzog keine Miene. Einen Augenblick lang fragte sich Jack, ob Obata Torayasu wirklich sein Vater war oder nur eine List, um zu Araki vorgelassen zu werden.
»Man darf nicht jedem Gerücht glauben, das man hört«, entgegnete Ronin.
Araki und Ronin sahen einander unverwandt an wie in einem stummen Kräftemessen. Die Spannung im Raum wuchs und Jack spürte, dass eine einzige falsche Bewegung von ihm oder Ronin eine Katastrophe auslösen konnte.
»Seid Ihr weit gereist?«, brach Araki schließlich das Schweigen.
Ronin nickte. »Euer Ruf hat sich in ganz Japan ausgebreitet.«
Araki lächelte. »Dann seid Ihr gekommen, mich zum Zweikampf herauszufordern?«
»Ein solches Privileg wäre für mich eine große Ehre, aber ich komme im Auftrag meines Herrn.« Ronin wies mit einem ehrerbietigen Nicken auf Jack.
»Eures Herrn?« Araki war ein wenig überrascht. Jacks äußere Erscheinung ließ das nicht vermuten. »Kann er nicht für sich selbst sprechen?«
»Erlaubt mir, Euch das zu erklären. Ein Unglücksfall hat dazu geführt, dass seine Schwerter gestohlen wurden.«
Araki hob die Augenbrauen, sagte aber nichts.
»Er hat deshalb gelobt, bis zu dem Tag, an dem die Schwerter in
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