Samurai 6: Der Ring des Feuers (German Edition)
machte. »Gegenwärtig beschäftigt er sich vor allem damit, Hanzo auf seine Aufgaben als nächsten Großmeister vorzubereiten.«
Jack nickte mitfühlend. Soke war unglücklich darüber gewesen, dass sein Clan sich noch tiefer ins Iga-Gebirge hatte zurückziehen müssen. Von der nachlassenden Gesundheit des Alten zu hören, machte Jack traurig. Soke hatte ihn im Ninjutsu unterrichtet, ihn vor den Häschern des Shoguns gerettet und ihm so manches beigebracht, was er für seine gefährliche Reise nach Nagasaki gut gebrauchen konnte.
»Und wie geht es dir?«, fragte er.
Miyuki zwang sich zu einem Lächeln. »Unser neues Dorf ist schön, aber man kann es nicht mit unserem alten vergleichen. Je höher man wohnt, desto härter wird das Leben. Das Wetter ist strenger und der Boden weniger fruchtbar.« Sie blickte mit einem sehnsüchtigen Lächeln auf die Häuser zu ihren Füßen. »Tamagashi erinnert mich ein wenig an unser altes Dorf. Der Dorfplatz, der Teich, die Felder – obwohl unsere Häuser viel stabiler gebaut und die Reisfelder viel besser angelegt waren.«
»Das liegt daran, dass ihr nicht nur Bauern, sondern auch Ninja seid«, erinnerte Jack sie.
»Stimmt, aber so schwer ist es nun auch wieder nicht. Ich meine, sieh dir ihre Felder an. Wenn Ninja sie angelegt hätten …«
»… könnte man damit zugleich das Dorf verteidigen!«, fiel Jack ihr ins Wort. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Miyuki, was wäre ich ohne dich!«
Miyuki senkte verlegen den Kopf. »Ich habe dich auch vermisst, Jack«, gab sie zurück.
Doch Jack hatte nur Sinn für ihre ersten Worte und bemerkte den zärtlichen Blick nicht, der für einen kurzen Moment auf ihrem Gesicht erschien.
»Das ist die Lösung!«, rief er. »Die fünf Ringe!«
Der Großmeister hatte ihn im Zusammenhang mit seiner Ausbildung im Ninjutsu mit den fünf Ringen vertraut gemacht. Die fünf Elemente, aus denen sich die Welt zusammensetzte – Erde, Wasser, Feuer, Wind und Himmel –, lagen auch jeder Kampftechnik und Strategie der Ninja zugrunde. Sie bestimmten ihre Einstellung zum Leben, unter anderem auch den Bau und die Anlage ihrer Dörfer.
Für das ungeübte Auge mochte ein Ninjadorf aussehen wie jedes andere Dorf. In Wirklichkeit war es eine raffiniert angelegte Festung. Unter Anwendung des Rings der Erde machten die Ninja sich die natürliche Umgebung zunutze. Geflutete Reisfelder wurden zu schützenden Wassergräben, Wege zu undurchdringlichen Labyrinthen, Hecken zu Mauern und Hügel und steile Hänge zu Wällen.
»Wir werden Tamagashi in ein Ninjadorf verwandeln!«, rief Jack und grinste triumphierend.
Im Laufschritt kehrte er zum Dorfplatz zurück, dicht gefolgt von Miyuki.
Die anderen warteten am Teich.
»Du siehst so zufrieden aus«, bemerkte Saburo.
»Ja, ich habe einen Plan!«, verkündete Jack.
Die anderen versammelten sich erwartungsvoll um ihn. Neko, die unbedingt mitmachen wollte, drängte sich nach vorn, bis sie neben Yuudai zu stehen kam. Aus dem Haus des Dorfvorstehers traten Junichi, Toge und Sora und sahen aus respektvoller Entfernung zu ihnen herüber.
»Wir müssen vor allem verhindern, dass die Banditen den Reisspeicher plündern«, begann Jack und zeigte auf die große, an den Dorfplatz angrenzende Scheune. »Dazu müssen wir das Dorf in eine Festung verwandeln.«
»Aber wie willst du das in drei Wochen hinkriegen?«, rief Saburo. »Das ist hier nicht die Burg von Osaka!«
»Alle zusammen und mithilfe der Bauern schaffen wir das«, erwiderte Jack zuversichtlich.
»Ich bin der gleichen Meinung wie Saburo«, meinte Hayato. »Verteidigung ist schwieriger als Angriff und das Dorf ist Überfällen schutzlos preisgegeben. Wo würden wir überhaupt anfangen?«
»Das wollte ich euch gerade fragen«, erwiderte Jack.
Eine Verbindung aus der Taktik der Ninja und der Taktik der Samurai hatte seiner Meinung nach die beste Aussicht auf Erfolg, deshalb zitierte er noch einmal einen Ausspruch Masamotos: » ›Wer seinen Gegner kennenlernen will, muss werden wie er.‹ Wie also würdet ihr dieses Dorf angreifen?«
20
Durch die Augen des Feindes
»Wenn der Angreifer vom Gebirge kommt, wird er sich dem Dorf von Norden her nähern«, sagte Hayato. »Und warum sollte Akuma einen Umweg machen? Er rechnet ja nicht mit Widerstand.«
Jack nickte. »Einverstanden. Dort muss unsere Verteidigung also ansetzen.«
Sie verließen den Platz und gingen zum Rand des Dorfes. Die Straße führte von dort zu den Ausläufern eines schmalen
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