Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
einen Stapel Taue, während Holzsplitter und tödliche Geschosse durch die Luft flogen. Ihm wurde allmählich klar, dass sie kaum noch eine Chance hatten zu überleben. Nichts konnte die Nihon Maru zerstören und einen weiteren Angriff würde die Koketsu nicht überstehen. Selbst wenn sie sich durch ein Wunder in den Schutz der Pirateninsel zurückziehen konnten, brauchten die Meeres-Samurai sie nur dort einzuschließen. Daimyo Mori würde keine Gnade walten lassen – er führte einen persönlichen Rachefeldzug und wollte die Piraten-Clans für immer ausrotten.
Angesichts der sicher scheinenden Niederlage musste Jack an Yori, Miyuki und Saburo denken, die in der Zitadelle gefangen waren. Ob die Meeres-Samurai ihnen gegenüber Gnade walten ließen? Wohl kaum. Seine Freunde würden im Kampf sterben oder als seine Komplizen wegen Verrats zum Tode verurteilt werden. Jack machte sich bittere Vorwürfe, überhaupt zugelassen zu haben, dass sie ihn auf diese Reise begleiteten. Er hätte darauf bestehen sollen, dass sie ihn im Hafen von Tomo verließen. Jetzt konnte er nichts mehr für sie tun.
Während die Koketsu um den Bug der Nihon Maru herumfuhr und sich in Stellung für eine fünfte und zweifellos letzte Salve brachte, blickte er an den unbezwinglichen Bordwänden des Flaggschiffs hinauf. Oben standen Hunderte von Soldaten, bereit, sie mit tödlichen Schüssen einzudecken. Ihm fiel auf, dass die Nihon Maru sich stark nach Steuerbord neigte. Einen Augenblick lang glaubte er schon, sie hätte ein Loch im Rumpf, doch war nur das Gewicht der Soldaten an der Schräglage schuld. Um der gesteigerten Feuerkraft willen hatte Daimyo Mori fast alle seine Leute auf die Steuerbordseite befohlen.
Jack musste plötzlich lächeln. Er hatte die Schwachstelle der Nihon Maru gefunden.
56
Tauziehen
»Feuer!«, befahl Jack den Kanonieren.
Die Kanonen der Koketsu donnerten und Jack verfolgte, wie die Brandgeschosse in einem Bogen über den rauchverhangenen Himmel flogen.
»Hoffen wir, dass dein Plan aufgeht«, sagte Tatsumaki. »Um unser aller willen.«
Jack konnte nur beten, dass es gelingen würde. Es hatte ihn einige Mühe gekostet, die Piratenkönigin von der Fortsetzung ihres Angriffs abzubringen, aber als er ihr die Schwachstelle der Nihon Maru erklärt hatte, hatte sie ihn verstanden. In aller Eile waren die Kanonen neu in Stellung gebracht worden. Die Kanoniere hatten sie so weit aufgerichtet, dass sie möglichst steil nach oben schossen. Taustücke wurden zusammengeknotet, die so entstandenen langen Taue durch die Kanonenluken abgerollt und anschließend am Heck der Koketsu festgebunden. Alle Winddämonen mit Ausnahme der Kanoniere wurden zum Rudern abgeordnet. Der schwierigste Teil des Plans war freilich, dafür zu sorgen, dass die Brandgeschosse ihr Ziel gleich beim ersten Mal trafen.
Denn eine zweite Chance gab es nicht.
Endlich traf beim obersten Kanonier die Meldung ein, alle Kanonen seien mit der größtmöglichen Genauigkeit ausgerichtet worden, und Jack erhielt das Privileg, den Feuerbefehl zu erteilen. Ein kurzen Moment lang zögerte er. Er hatte mit sich gerungen, ob er den Winddämonen helfen sollte. Aber es ging um sein Überleben und das Schicksal seiner gefangenen Freunde, deshalb gab es keine andere Möglichkeit. Er hatte nur die Wahl zwischen den Meeres-Samurai und den Winddämonen, und die Piratenkönigin war das kleinere der beiden Übel.
Die Pfeile stiegen in die Luft auf und zogen die an ihnen festgebundenen Leinen hinter sich her. Die Meeres-Samurai hinter dem Schanzkleid der Nihon Maru duckten sich und die zehn Geschosse flogen über sie hinweg und verfehlten sie weit. Jack konnte sich die Erleichterung auf den Gesichtern der Samurai vorstellen … und die Bestürzung, als die Pfeile mit ihren eisernen Spitzen hinter ihnen in den Turm ihres Schiffes einschlugen. Bis zu den Steuerfedern bohrten sie sich in die weiß getünchten Wände. Ein Trupp Samurai eilte zum Turm, um den Daimyo aus dem obersten Geschoss zu retten. Aber Jacks Plan zielte nicht darauf, den Daimyo zu töten.
»Und jetzt rudert!«, rief er und stellte sich selbst zu sechs Männern an das nächste Ruder. Der Trommler begann den Rhythmus zu schlagen.
Die Koketsu entfernte sich von der Nihon Maru und wurde mit jedem Ruderschlag schneller. Doch die zehn am Heck befestigten Leinen strafften sich und das Schiff wurde ruckartig gebremst.
»Weiterrudern!«, keuchte Jack.
Die Männer legten sich in die Riemen, dass ihre Muskeln
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