Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
unterkriegen zu lassen.«
Er packte den rot umwickelten Griff mit beiden Händen, bereit, den furchterregenden Jäger zurückzuschlagen. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er das Wasser um das Floß ab. Doch keine Flosse tauchte auf.
Nach einer Weile fragte Miyuki: »Glaubst du, er ist wieder abgezogen?«
Jack riskierte einen genaueren Blick und spähte über die Längsseite des Floßes. Unter ihm gähnte tiefschwarz das Meer. Von dem Hai war nichts zu sehen.
»Sollen wir wieder anfangen zu rudern?«, schlug Cheng vor und warf einen Blick auf das sich entfernende Ufer.
Jack schüttelte den Kopf. »Noch nicht …«
»Jack …«, fiel Yori ihm ins Wort und zeigte auf Jacks Stirn. »Deine Wunde ist wieder aufgegangen.«
Erschrocken sahen sie, wie einige Blutstropfen aus der Wunde ins Wasser tropften und sich dort ausbreiteten wie eine aufblühende Rose.
Einige Augenblicke lang schwiegen alle. Niemand wagte sich zu bewegen. Zu hören war nur das Plätschern der Wellen am Floß, während sie immer weiter von der rettenden Insel wegtrieben.
»Er ist bestimmt weitergeschwommen«, meinte Cheng und nahm Yoris Paddel. »Lasst uns von hier verschwinden, ehe er zurückkommt.«
Doch er hatte kaum das Paddel eingetaucht, da raste ein Schatten aus der Tiefe nach oben und ein gewaltiges Maul mit spitzen Zähnen brach aus dem Wasser. Jack und die anderen sprangen hastig auf die andere Seite des Floßes. Die Kiefer bissen durch die Balken, deren Holz zersplitterte wie spröde Knochen. Das Ungeheuer schoss nach oben und sein langer, weißer Bauch wurde sichtbar. Ein Gestank nach fauligem Fisch breitete sich aus, dann fiel der Hai wieder ins Wasser zurück. Eine kleine Flutwelle spülte über die Überreste des Floßes. Jack und die anderen hielten sich aneinander fest. Sie durften nicht über Bord gerissen werden.
Der seiner Beute beraubte Hai tauchte wieder in die undurchdringlichen Tiefen des Meeres hinunter.
»Der weiße Tod!«, rief Cheng, hysterisch nach Luft schnappend. »Die Winddämonen … haben Geschichten … von solchen Haien erzählt … die ganze Menschen verschlingen!«
Jack hatte noch nie einen weißen Hai gesehen, doch auch er hatte Geschichten von diesen blutrünstigen Bestien gehört, die angeblich Schiffe zertrümmerten und die ganze Mannschaft verschlangen. Jetzt, wo er direkt in die bösartigen schwarzen Augen eines solchen Ungeheuers geblickt hatte, glaubte er diese Legenden. Kein anderer Hai auf den sieben Weltmeeren war so gefürchtet. Er war grausam, bösartig und verschlagen, eine unaufhaltsame Naturgewalt. Panik drohte Jack zu überwältigen und er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um nicht die Nerven zu verlieren. Panik würde sie nur noch schneller ins Grab bringen.
»Nehmt euch alle Waffen, die ihr finden könnt«, befahl er. »Und bildet einen Kreis.«
Miyuki zog vorsichtig ihr Schwert aus dem morschen Deck. Cheng hielt zitternd sein Messer, Yori seinen Stock mit dem an der Spitze befestigten Wurfstern und Saburo das Paddel. Seine Samuraischwerter waren in ein Bündel eingeschnürt, das am Floß festgebunden war, aber er durfte nicht riskieren, sie dort herauszuziehen. Noch sanken sie nicht, aber jede plötzliche Bewegung konnte sie alle ins Meer kippen.
Der weiße Hai näherte sich wieder und sie hoben die Waffen. Der Hai rollte ein wenig zur Seite, sodass seine Schnauze und die Sägezähne zu sehen waren, und starrte sie drohend mit einem kalten, unergründlichen Auge an. Dann verschwand er wieder in den Fluten.
Jack kniete sich neben die anderen auf das schwankende Floß. Sein Herz klopfte wie verrückt, das Blut dröhnte ihm in den Ohren. Er versuchte ganz ruhig zu atmen, aber der Gedanke an den gefräßigen Hai, der sie umkreiste, machte ihn starr vor Angst.
Hinter ihnen schoss eine Fontäne aus dem Meer. Der weiße Hai schlug die Zähne in eine Ecke des Floßes und schüttelte wütend den Kopf. In kürzester Zeit begann das Deck sich aufzulösen. Saburo schlug dem Hai sein Paddel auf die Schnauze. Doch das Ungeheuer ließ nicht von dem Floß ab und verbiss sich immer stärker in die Planken. Saburo schlug erneut zu, Miyuki bohrte ihm ihr Schwert in die Kiemen. Erst dieser Doppelangriff brachte den Hai dazu, von dem Floß abzulassen. Wieder entfernte er sich.
»Noch einen solchen Angriff übersteht das Floß nicht«, keuchte Saburo und wischte sich mit dem Armrücken das Salzwasser aus den Augen.
»Vielleicht kommt es ja gar nicht dazu«, meinte Yori hoffnungsvoll
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