Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
unwahrscheinlich, dass ihm jemand zu Hilfe kam. Also schwieg er lieber und nahm von seiner Umgebung auf, so viel er konnte, bevor seine Entführer bemerkten, dass er aufgewacht war.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war. Durch das grobe Sackleinen drang kein Licht, also lag er im Laderaum eines Schiffs oder es war Nacht geworden.
Er hörte Stimmen, vier an der Zahl. Er kannte alle – sie gehörten Schädelgesicht, Schlange, Tiger und Manzo. Demnach befand er sich auf einem kleinen Boot, sonst wäre die Besatzung größer gewesen.
Was hatten Schädelgesicht und seine Kumpane mit ihm vor? Die unerwartete Entführung war kein gutes Zeichen. Sie entsprach sicher nicht den Wünschen Tatsumakis. Er hatte erlebt, wie grausam die Piraten ihre Gefangenen folterten. War das die Gefahr, die die Windhexe vorhergesehen hatte? Wenn ja, hätte sie ihn wirklich besser warnen können!
Er hörte, wie Schädelgesicht den Befehl gab, das Segel einzuholen. Im nächsten Moment stieß das Boot gegen einen Felsen. Jemand sprang an Land, das Deck schwankte.
»Hol den Gaijin, Manzo«, befahl Schädelgesicht.
Manzo hob Jack unsanft aus dem Boot, warf ihn sich über die Schulter und man hörte die Sandalen des Piraten im Kies knirschen. Die vier entfernten sich vom Ufer und eine Weile sprach niemand. Dann ließ Manzo Jack ohne weitere Umstände auf den Boden fallen. Er landete auf einem spitzen Stein und schrie unwillkürlich auf.
»Der Gaijin ist wach«, knurrte Manzo.
Der Sack wurde ihm grob abgenommen und er blickte in die tätowierte Visage des verschlagen grinsenden Schädelgesicht.
»Angenehme Reise?«, fragte der Pirat spöttisch.
Jack hustete sich den Staub aus der Lunge und sah sich um. Sie standen auf einer kahlen Insel, die kaum mehr war als eine zerklüftete Klippe, an deren höchste Spitze sich ein einzelner, windgepeitschter Baum klammerte. Am Nachthimmel über ihnen hing die Sichel des abnehmenden Mondes und tauchte das Meer um die Insel in einen gespenstisch fahlen Schein. Um sie herum war nichts als Wasser.
Jacks Vermutung die Zahl seiner Entführer betreffend stimmte. Das Boot, mit dem sie gekommen waren – dasselbe Boot, mit dem er und seine Freunde eigentlich hatten fliehen wollen –, lag dümpelnd am Ufer … leer.
»Was habt ihr mit mir vor?«, fragte er.
»Du bringst uns Unglück, Gaijin«, fauchte Schädelgesicht. »Seit wir dich an Bord genommen haben, liegt ein Fluch auf der Schwarzen Spinne – zuerst werden wir von Meeres-Samurai gefangen genommen, dann geraten wir in einen Sturm und schließlich wird unser Kapitän angeschossen. Du hast sogar die Belohnung dafür eingeheimst, dass ich das Rotsiegel-Schiff des Shogun nach Hause gebracht habe.«
Er trat Jack wütend in den Bauch. Jack krümmte sich vor Schmerzen, wälzte sich auf dem Boden und schnappte nach Luft.
»Das war meine einzige Chance, Kapitän zu werden!«, brüllte Schädelgesicht außer sich vor Wut. »Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir dich ein für alle Mal loswerden, Gaijin.«
Jack hatte sich wieder ein wenig erholt. »Was wollt ihr tun?«, keuchte er. »Mich hier aussetzen?«
Schädelgesicht kicherte höhnisch. »Nein, das wäre viel zu milde.«
Ein kaltes Gefühl der Endgültigkeit breitete sich in Jack aus. »Ihr wollt mich foltern und töten?«
»Nur zu gern«, gab Schädelgesicht zu. »Aber das überlassen wir den Meeres-Samurai. Lebend bist du mehr wert.«
Schlange blickte aufs Meer hinaus. »Seht mal, ihr Schiff liegt schon da.«
Schädelgesicht grinste. »Ich habe doch gesagt, so eine Gelegenheit, dem Shogun eine Freude zu machen, lassen die nicht aus.«
Jetzt begriff Jack, was die Piraten vorhatten. Sie wollten die auf seinen Kopf ausgesetzte Belohnung kassieren. Instinktiv nahm er an, dass sie auf eigene Faust handelten. »Tatsumaki wird herausfinden, dass ihr mich entführt habt. Und dann bestraft sie euch alle.«
Schädelgesicht lachte. »Kaum. Wir werden sagen, du seist geflohen … und die Schuld Li Ling geben. Dann ist die hübsche kleine Piratin noch vor Sonnenaufgang einen Kopf kürzer.«
Jack spürte, wie die letzte Hoffnung von ihm wich. Er wurde in den Tod geschickt und auch Li Ling musste leiden. Und was sollte aus Yori, Saburo und Miyuki werden? Ohne ihn hatten seine Freunde für Tatsumaki keinen Wert. Man würde sie in die Lagune werfen, den Fischen zum Fraß, wie Tatsumakis andere Opfer.
Er zerrte an seinen Fesseln, um sich zu befreien.
»Das bringt nichts, Gaijin«,
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