Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
zu deinen Freunden stehst. Außerdem könntest du ja nirgendwohin.«
Am folgenden Tag wartete Li Ling am Tor der Zitadelle auf ihn.
»Tatsumaki hat mich zu deiner Führerin ernannt«, verkündete sie.
Jack freute sich, Li Ling zu sehen, war sich aber nicht sicher, ob er ihr jetzt, wo man sie unter die Winddämonen aufgenommen hatte, noch vertrauen durfte. Es war Tatsumaki durchaus zuzutrauen, dass sie ihre neue Gefährtin für sich spionieren ließ.
»Wie lebt es sich als Piratin?«, fragte er.
»Man muss hart arbeiten«, sagte Li Ling und zeigte ihm die Blasen an ihren Händen. »Aber als Mitglied der Besatzung bekomme ich auch einen Anteil an der Beute.«
Sie kramte eine Silbermünze aus dem Beutel an ihrem Gürtel, rieb ihn stolz an ihrem Hemd und hielt ihn in die Sonne.
Wenn sie nur eine einzige Münze als Belohnung bekommen hat, dachte Jack, die prächtigen Räume der Zitadelle vor Augen, dann ist klar, wer hier den Löwenanteil nimmt.
»Gehen wir?«, fragte Li Ling und marschierte ihm voraus zu einem schmalen Steg, der an der Felswand entlang nach unten führte.
»Wir fahren nicht mit dem Aufzug?«, fragte Jack.
Li Ling schüttelte den Kopf. »Das ist nur für die Kapitäne kostenlos.«
»Man muss dafür bezahlen?«
Li Ling nickte. »In der Piratenstadt gibt es nichts umsonst.«
Sie stiegen den Steg hinunter. Nur eine dünne Bambusstange sicherte sie vor einem tödlichen Absturz in die Lagune. Jack blickte über das Geländer in die Tiefe. Zahlreiche Dächer sprangen aus der Felswand vor. Von Herdfeuern stieg Rauch auf und auf den Stegen und Leitern tummelten sich zahlreiche Piraten. Von hier oben hatte man auch einen guten Blick auf die am Kai vertäuten Schiffe, allerdings konnte Jack das kleine Boot, mit dem er und seine Freunde fliehen wollten, aus dieser Entfernung nicht erkennen.
»Auf der obersten Ebene wohnen nur Kapitäne«, erklärte Li Ling. Sie kamen an einem prächtigen, aus Bambus erbauten Haus vorbei, dessen Balkone die Lagune überblickten. »Dieses Haus gehört Captain Kurogumo.«
Jack blickte durch die Fenster hinein. Es schien vier Zimmer zu geben, alle mit feinsten Strohmatten ausgelegt und durch seidene, mit Kampfszenen bemalte Schiebetüren getrennt. In einer Ecke stand eine große Truhe, umgeben von einer eindrucksvollen Sammlung von Samurairüstungen, erlesenen Schwertern und anderen Beutewaffen. Jack blieb überrascht stehen – unter den Waffen befanden sich auch seine Shizu-Schwerter mit den roten Griffen.
»Das Kapitän ist nicht zu Hause«, sagte Li Ling, die glaubte, Jack halte nach ihm Ausschau. »Er hat sich wieder einigermaßen erholt und überwacht die Reparaturen an der Schwarzen Spinne.«
Jack bemerkte eine Bewegung auf einem Balkon. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und weiß geschminktem Gesicht hatte ihn betreten, eine Geisha. Sie trug einen purpurrot schimmernden Kimono und sah harmlos aus, bis Jack den Dolch in ihrem Obi bemerkte. Mit ihren schwarzen Augen musterte sie ihn misstrauisch.
Widerstrebend ging er ohne seine Schwerter weiter und stieg hinter Li Ling eine wacklige Leiter zur nächsten Ebene hinunter.
Dort hingen weitere Häuser an der Felswand. Sie waren kleiner und hatten nur zwei Zimmer, waren aber genauso luxuriös eingerichtet.
»Hier wohnen Quartiermeister, Steuermänner und Schiffbaumeister«, erklärte Li Ling. »Auf den unteren Ebenen wohnt der Rest der Mannschaften.«
»Alles nach Rängen geordnet?«, fragte Jack.
Li Ling schüttelte den Kopf. »Die jeweilige Stellung hängt von Dienstalter, Körperkraft und Besitz ab.«
»Wo wohnst dann du?«
Li Ling lächelte ein wenig gezwungen. »Ganz unten …« In ihre Augen trat ein entschlossener Blick. »… vorerst.«
Sie stiegen weiter hinunter und die Häuser wurden einfacher. Zwar hatten sie weiterhin der Stabilität wegen Rahmen aus Bambus, aber an die Stelle der festen Bambuswände traten Planken, Segeltuch und sogar Treibholz. Die Gebäude machten einen so morschen Eindruck, als könnten sie jederzeit einstürzen. Nur die Speicherhäuser wirkten etwas robuster.
»Das ist die Hauptstraße«, erklärte Li Ling. Der Steg, den sie entlangschritten, war besonders belebt und breit, man konnte auf ihm zu dritt nebeneinander gehen. Er führte an einer Reihe von Häusern mit offenen Ladenfronten vorbei. Allerdings konnte man dort nicht die üblichen Dinge des täglichen Gebrauchs kaufen, es handelte sich um Schenken, die billigen Sake verkauften, oder um Spielhöllen, in denen die
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