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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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die ganze Truppe versammelt. Alle
arbeiteten am Schloss. Alle wirkten stark.
    Wir
könnten es schaffen.
    Es war Janne, der das gesagt hatte. Aber ich hatte vermutlich nur
darauf gewartet, dass jemand aussprechen würde, was ich schon so lange gedacht
hatte.
    Wenn es kein Camp gäbe, könnten wir hier bleiben. Solange wir
wollten. Wenn keine Erwachsenen mehr über uns bestimmten.
     
    6
     
    Es wurde
wieder Morgen. Die Sonne ging auf über Gutem und Bösem. Heute Morgen hatte das
Böse sich etwas Neues ausgedacht. Wer seinen Teller nicht leer aß, würde ihn
bei der nächsten Mahlzeit wieder vorgesetzt bekommen. Niemand sollte etwas
Neues zu essen bekommen, bevor er nicht das Alte aufgegessen hatte. Auf meinem
Teller hatte ein Batz kalter Hafergrütze in blauer Milch gelegen. Als der
Teller abgeräumt wurde, war der Batz noch kälter und die Milch noch blauer
gewesen. Ich hatte nicht einmal den Löffel in die Hand genommen.
    „Du weißt, was dich erwartet, Tommy“, sagte die Betreuerin, als sie
den Teller wegtrug.
    Ich antwortete nicht. Die Grütze würde weder morgens noch abends
besser schmecken. Aus der Milch würde wahrscheinlich Sauermilch werden, und
Sauermilch mochte ich tatsächlich lieber. Aber ich würde sie trotzdem nicht
essen. Ich hatte nicht die Absicht, sie jemals zu essen. Jetzt begann ein neuer
Kampf. Ich hatte mich im Speisesaal umgesehen, aber anders als früher, als
würde ich plötzlich alles mit neuen Augen sehen. Als wäre ich ein anderer
geworden, jemand, der noch weiter von dem entfernt war, der einmal Tommy
geheißen hatte.
     
    Die Sonne brannte in den Augen. Wir hatten uns in zwei Reihen auf dem
Hof aufgestellt und sollten um den See herum zum großen Badeplatz auf der
anderen Seite marschieren. Es wurde Badeausflug genannt, aber ich nannte es
Bademarsch. Die Betreuerinnen bewachten uns auf beiden Seiten. Wenn die
kleineren Kinder müde wurden, mussten wir sie tragen.
    Wir marschierten los. Rechts von uns blitzte der See zwischen den
Kiefern. Die Erde roch gut. Ich liebte den Waldgeruch. Wenn er einem in die
Nase stach, fühlte man sich wie ein freier Krieger. Ja, jetzt natürlich nicht,
während wir in der Reihe gingen, aber sonst.
    Plötzlich stolperte ich über eine Wurzel und knallte hin.
    „Verdammter Mist!“
    Hinter mir kicherte jemand. Ich war schnell wieder auf den Beinen und
drehte mich um. „Warum hast du das getan?“ Es war Kerstin.
    „Was?“
    „Dich hingeworfen?“
    Ich merkte, dass sie mich auf den Arm nahm, und setzte mich wieder in
Bewegung. Mit zwei schnellen Schritten holte sie mich ein.
    „Warum fluchst du so oft?“, fragte sie plötzlich.
    „Ich fluche doch nicht oft.“
    „Ach?“
    „Früher hab ich mehr geflucht.“
    „Oje. Dann warst du ja ein richtiges Schandmaul.
Früher.“
    „Fluchen ist nicht schlimm“, sagte ich. „Ach nee?“
    „Manchmal gibt es eben keine anderen Wörter.“
    „Du sollst nicht fluchen“, sagte Kerstin. „Das
steht in der Bibel.“
    „Hm.“
    „Es ist eins der Zehn Gebote.“
    „Du sollst Kinder nicht zwingen, Schweinefraß zu essen“, sagte ich.
„Was ist das?“
    „Das ist noch schlimmer“, sagte ich, „schlimmer als fluchen.“
    „Ich meine, ist das auch ein Gebot?“ Sie lächelte
leicht. Die Sonne schien ihr in die Augen und sie wirkten heller und wurden
fast grün. „Und ob, eins der wichtigsten.“
    „Kennst du noch mehr?“
    „Du sollst Kindern nicht die Schokolade stehlen“, sagte ich.
    „Das versteh ich nicht.“
    „Ach, es war nichts.“
    „Da war wohl was“, sagte sie. „Das hab ich doch
gehört.“
    Wir waren schon um den halben See marschiert. Bald würden wir den
großen Badeplatz sehen. Die Sonnenstrahlen verwandelten das Wasser in Silber.
Mitten auf dem See war ein Segelboot. Das Segel war genauso weiß wie unsere Laken
am Abend vor dem Großen Besuchstag.
    „Wie meinst du das, hat dir jemand deine Süßigkeiten gestohlen?“,
fragte Kerstin.
    Ich antwortete nicht.
    „Es ist Scheiße, wenn du es nicht sagen willst.“
    „Jetzt hast du ein
schlimmes Wort benutzt.“
    „Och.“
    „Okay, meine Mutter hat mir eine Tüte
Schokoladenbonbons mitgebracht, und die haben sie mir geklaut.“
    „Die? Wer die?“
    „Die Erwachsenen.“
    „Bist du sicher?“
    Eine der Betreuerinnen war plötzlich neben uns, als hätte sie heimlich
zugehört und wollte mehr wissen.
    „Ihr geht zu langsam“, sagte sie. „Die Reihen müssen zusammenbleiben.

    Ich schaute auf und sah, dass wir jetzt fünf

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