San Miguel: Roman (German Edition)
auf die Tiere, die verkauft werden sollten, durften die Schafe auf ihre Weiden zurückkehren, die Wolle wurde in Säcke gestopft, und die Scherer gaben ihre Metallmarken ab (fünfundzwanzig Cent für jeden Widder, fünfzehn Cent für jedes Schaf), wurden aus dem dicken Geldbündel, das Herbie am Tag nach der Hochzeit von Bob Brooks erhalten hatte, ausgezahlt und fuhren zurück zum Festland. Und Jimmie fuhr mit, um Urlaub zu machen, in der einen Tasche seinen Lohn, in der anderen eine Einkaufsliste, so lang wie sein Arm. Frieden senkte sich herab. Und die harte körperliche Arbeit und die Befriedigung, alles zu einem erfolgreichen Ende gebracht zu haben, hatten Herbie gutgetan – er hatte zum erstenmal als Verwalter gearbeitet, und alles war glattgegangen. Er war wieder ihr alter Herbie, der über jedes noch so kleine Teil von Gottes Schöpfung Freude empfand und sie an der Hand nahm und über die Hügel führte, um ihr alles zu zeigen.
Auch der Sex war wieder da. Und wie er da war. Herbie war unersättlich. Und das nicht nur im Bett, sondern wo immer er sie fand, sei es im Wohnzimmer oder in der Küche, ja einmal sogar auf der Veranda. Wir werden aber keine Nudisten, oder? protestierte sie kokett, und er grinste sein Grinsen und wies sie darauf hin, dass sie hier mit Sonne, Sand und Schafen ganz allein waren, und sofern die Schafe dazu etwas zu bemerken hätten, das über ein Bääh hinausging, werde er es ihr mitteilen. Eines Nachmittags, eine Woche nachdem Jimmie und die Scherer zum Festland gefahren waren, sagte er, sie solle nicht mit dem Abendessen auf ihn warten, denn er werde bis zum Einbruch der Dunkelheit unterwegs sein, und sie nickte nur, denn sie sagte sich, sie könnten ja nicht jede Minute des Tages miteinander verbringen und sie habe ja alles mögliche zu tun: Briefe schreiben, Bücher lesen, stricken, nähen, häkeln. Sie sah ihm nach, als er zur Tür hinausging, dann räumte sie die Küche auf und setzte sich an den Tisch, um einen Brief an ihre Mutter zu schreiben. Eine halbe Stunde später saß sie im Wohnzimmer und war in ein Buch vertieft, als sie aufsah und er in der Tür stand, mit nacktem Oberkörper und einer kurzen Hose, die schier platzen wollte. Bevor sie ein Wort sagen konnte, zog er sie aus dem Sessel, presste sie an die Wand, küsste sie leidenschaftlich und legte die Hände auf ihre Brüste. Die Überraschung, das erotische Aufwallen durchzuckte sie wie ein Stromschlag. Sie tastete mit ihrer Zunge nach der seinen, drückte sich an ihn und bewegte die Hüften langsam vor und zurück. In diesem intimen Augenblick, als sie einander umarmt hielten, schwang das äußere Tor plötzlich mit einem durchdringenden Scharren auf.
»Da kommt jemand«, sagte sie.
»Das ist nur der Wind.«
Sie spürte das Klopfen seines Herzens an ihrer Brust. Beide waren erhitzt und lauschten. Im nächsten Augenblick scharrte das Tor wieder, und er sagte: »Siehst du, ich hab’s dir doch gesagt. Ich muss diesen verdammten Riegel mal reparieren, der Wind drückt das Ding andauernd auf.« Und alles war gut, alles war schön, bis sie die Schritte auf der Veranda hörten.
Eine Sekunde später – sie hatte sich unwillkürlich von ihm gelöst, ohne wirklich nachzudenken, denn es war ja nicht gerade so, als wären sie mitten im Akt ertappt worden, und selbst wenn, so waren sie doch verheiratet und befanden sich in ihrem eigenen Haus mitten in der Wildnis – erschien Bob Brooks’ Gesicht im Fenster.
»Bob!« rief Herbie, ließ sie los und rannte zur Tür, und sie stand da, strich ihr Kleid glatt und sah, wie Bobs Gesichtsausdruck sich veränderte, als er begriff, bei welcher Tätigkeit er sie unterbrochen hatte. Es dauerte nur einen Augenblick, und dann grinste er und hielt zwei Flaschen Canadian Club Whiskey ans Fenster, echten Whiskey in Originalflaschen mit Originaletikett und intaktem Siegel. Was blieb ihr anderes übrig als zurückzulächeln und ihm mit den Fingern der rechten Hand verschwörerisch zuzuwinken?
Das Wetter war schön, die Sonne stand noch hoch am Himmel, und der Wind hatte sich gelegt, und so setzten sie sich auf die Veranda, um ihre Highballs zu trinken: Whiskey mit Wasser aus einer der Tonnen, die an beiden Seiten des Hauses standen. Das Regenwasser war besser als das Grundwasser, weil es nicht diesen aufdringlichen mineralischen Beigeschmack hatte. »Das ist prima Whiskey, Bob«, sagte Herbie und stieß erst mit ihm und dann mit ihr an. »Erstklassig. Wo hast du den her?«
Er hockte auf
Weitere Kostenlose Bücher