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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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meine Gewehre wiederhabe, dann können sie von mir aus mit einer ganzen Armee kommen ...«
    Brooks lehnte sich in seinem Stuhl zurück, dessen Holzverbindungen empört knarzten, hob das Glas an die Nase und schnupperte. »Guter Stoff, was, Herb? Aber ich habe dir nicht nur Whiskey mitgebracht, nein, nein. Unten am Strand habe ich eine Überraschung für dich – und bei dem Gewicht, das diese Kiste hat, wirst du wohl ein paar Pferdestärken brauchen, um sie hierherzuschaffen.«
    »Du hast doch nicht – «
    »Doch, hab ich. Ich habe Hugh Rockwell den Schuldschein abgekauft – ihr beide seid also quitt. Das ist mein Geschenk an euch. Wirklich das mindeste, was ich tun konnte.« Sein Grinsen wurde breiter, und er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Ihr habt doch gerade geheiratet, oder bin ich da falsch informiert?«
    Herbie fuhr herum und balancierte auf einem Bein, bevor er in die Knie sank, die Hände flach auf die Erde legte und sich verbeugte, bis seine Stirn den Boden berührte. »Salaam, o weiser Mann, o großer und weiser Mann«, sagte er. »Ich verneige mich vor dir, Bob. Salaam, salaam. Das ist die beste Nachricht, die ich seit einem Monat gehört habe.« Dann drehte er sich wieder um, nahm seinen Whiskey von der Veranda, setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden und erhob das Glas. »Darauf müssen wir trinken! Komm, Elise, lass dir einschenken – nein, nein, du musst auch anstoßen. Auf Bob! Auf den großartigsten Boss auf Gottes grüner Erde – oder brauner Erde oder schwarzer Erde oder was für eine Farbe sie auch haben mag!«
    Lange nachdem Brooks zu Bett gegangen war – beschwipst vom Whiskey, obwohl er zwei Portionen von ihrem Lammeintopf und einen halben Laib frischgebackenes Brot gegessen hatte –, saß Herbie an jenem Abend im Wohnzimmer, vor sich seine Gewehre. Er putzte und ölte sie, und dann hängte er sie an Nägeln auf, die er neben dem Ofen übereinander in die Wand schlug, dort, wo der Kamin sein würde, wenn er die Zeit fand, ihn zu bauen, denn was war ein Haus ohne ein offenes Feuer? Sie saß neben ihm, strickte und lauschte auf den Wind, der über das Dach fuhr, und das ferne Murmeln der Brandung. Von Zeit zu Zeit nahm er eins der Gewehre in die Hand, zeigte es ihr und erzählte ihr von seiner Herkunft und seinen Besonderheiten: die Mannlicher- und Lebel-Karabiner, die er in Frankreich gekauft hatte, die Hotchkiss, die Mauser, seine Jacobs-Elefantenbüchse.
    »Elefantenbüchse? Wofür um alles in der Welt brauchst du eine Elefantenbüchse?«
    »Man kann nie wissen. Vielleicht grast übermorgen schon eine ganze Elefantenherde am Green Mountain.«
    »Nein, im Ernst.«
    Er zuckte die Schultern. »Mir gefällt es einfach, wie sie aussieht, wie sie sich anfühlt. Und vielleicht fahre ich eines Tages mal auf Großwildjagd nach Afrika, wer weiß? Es ist nur eine Sammlung. Und sie ist ganz schön was wert. Mehr als alles andere in diesem Haus.«
    »Großwildjagd? Warst du nicht der, der keine Maus töten wollte?«
    »Das ist was anderes.«
    »Wenn das so ist, musst du es mir erklären.«
    »Die Mäuse sind ... na ja, sie sind hier. Afrika nicht.«
    »Aber die See-Elefanten, was ist mit denen?«
    »Das ist was anderes.«
    Und so ging es weiter, es wurde zehn, es wurde elf, und schließlich stand sie auf, reckte sich und fragte ihn, ob er nicht auch zu Bett gehen wolle.
    Sie roch den scharfen, fremden Geruch des Waffenöls, sie sah den weißen Lappen, der über den schimmernden Lauf fuhr, sah, wie seine Hand sich bewegte, vor und zurück, vor und zurück, hypnotisch. »Gleich«, sagte er.
    »Du kommst doch bald, oder?«
    »Ja«, sagte er.
    Sie legte das Strickzeug beiseite und ging zur Schlafzimmertür. »Ich warte auf dich«, sagte sie. Er gab keine Antwort. Er sah nicht einmal auf.
    Sie schloss sehr leise die Tür und ging in dem kalten Zimmer zu Bett.

DAS LUNTENSCHLOSS
    Es wurde schon hell, als er neben ihr ins Bett glitt, aber eine Stunde später war er bereits wieder auf den Beinen, scheinbar unverändert, nur dass er mit jeder Geste und jeder Silbe schneller zu werden schien. »Wo ist Bob?« fragte er immer wieder. »Ist Bob noch nicht auf? Immerhin muss er das Boot erwischen, und er hat Glück, dass die Vaquero noch mal vorbeikommt, sonst würde er hier festsitzen, obwohl es bestimmt schlimmere Schicksale gibt, meinst du nicht auch? Hier festzusitzen? Stell dir das mal vor!« rief er, fasste sie um die Taille und drückte ihr einen Kuss aufs Ohr, während sie Zwiebeln und

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