San Miguel: Roman (German Edition)
schon Kuchen gebacken, da warst du noch gar nicht geboren. Glaub mir, ich weiß, was ich tue.« Sie sah zu Ida, die an der Tür zum Flur stand und ein unglückliches Gesicht machte. »Was ist? Du hast doch bestimmt Besseres zu tun als dazustehen und dir Sorgen um mich zu machen – was ist mit den Näharbeiten, die ich dir gegeben habe? Was ist mit Ediths Kleid?« Sie drehte sich wieder um, öffnete die Ofenklappe und spürte die Hitzewelle auf ihrem Gesicht. Und dann war die Form im Ofen und die Klappe wieder geschlossen, und sie richtete sich auf, wandte sich zur Tür und sah, dass Ida sich nicht von der Stelle gerührt hatte. »Wo ist Edith überhaupt?«
»Sie macht einen Spaziergang.«
»Einen Spaziergang? Bei diesem Wetter?«
»Ja, Ma’am. Sie hat nach dem Frühstück ihren Regenmantel angezogen und ist rausgegangen.«
»Aber wohin denn nur?«
Ein Schulterzucken. »Sie hat gesagt, sie will nur einen Spaziergang machen. Und dass sie sich hier so eingesperrt vorkommt. Kann man ihr ja eigentlich nicht verdenken.«
Marantha unterdrückte den Impuls, die Glut zu dämpfen – sie war sicher, dass der Ofen zu heiß war –, doch sie wollte nicht daran hantieren, während Ida zusah. »Ja, du hast recht«, sagte sie. »Ich bin einfach nur besorgt.«
»Natürlich, Ma’am.«
Und damit war das Thema erledigt, und Ida machte sich an ihre Arbeit. Obwohl Marantha erhitzt war, obwohl sie spürte, wie Mattigkeit sich in ihre Glieder schlich und ihre Lunge zusammengepresst und gewrungen wurde wie ein alter Putzlappen, setzte sie sich an den Ofen, stellte die Luftzufuhr ein und öffnete wiederholt die Klappe, um hineinzusehen, auch wenn sie wusste, dass sie das lieber nicht tun sollte. Vielleicht nickte sie kurz ein, sie wusste es nicht. Doch mit einemmal stand Will in der Küche und riss die Hintertür auf, damit der Rauch abziehen konnte, und der Kuchen, der Kuchen war am Rand schwarz und so hart und trocken wie ein Keks. Dennoch galt ihr erster Gedanke nicht dem Kuchen oder dem Rauch, sondern ihm: Wie gewöhnlich er aussah, wie sehr er in seinen schmutzigen, nassen Kleidern einem Landstreicher glich. »Herrje«, sagte er, und seine Stimme wurde gleich um einiges lauter, »was um Himmels willen machst du hier eigentlich?«
Der Rauch, die Unwirtlichkeit da draußen, sein Äußeres. »Ich backe«, sagte sie.
»Du backst?« wiederholte er ungläubig. »Es sieht eher so aus, als wolltest du das ganze Haus abbrennen. Wo ist dein Verstand geblieben? Was glaubst du, wofür wir Ida haben?«
»Ida.« Sie spuckte das Wort förmlich aus. »Immer Ida.«
»Ist sie etwa nicht unsere Köchin?«
»Sie hat heute Geburtstag.«
Er ragte über ihr auf, sein Schnurrbart klebte nass an seinem Gesicht wie ein bleicher Pilz, und er balancierte auf einem Bein und versuchte, den verdreckten Stiefel vom anderen Fuß zu streifen. »Ist mir doch scheißegal«, begann er, hielt aber gleich darauf inne. Im strömenden Regen auf dem Hof erschienen die Gesichter von Adolph und Jimmie, dann standen die beiden plötzlich an der offenen Tür.
Es war ihr gleichgültig. Sie war wütend, erschrocken, empört. Er hatte keine Ahnung, wie sie sich fühlte, keiner von ihnen hatte eine Ahnung. Sie waren gesund, sie würden weiterleben – sie nicht. Alles, was sie sahen, war erfüllt von den Farben des Lebens, war bunt und glänzend, während für sie alles trostlos war. »Du siehst so gewöhnlich aus«, sagte sie – nein, sie schleuderte es ihm entgegen. »Und diese Männer da, diese Rancharbeiter, werden das Mittagessen nicht im Haus einnehmen, hast du mich verstanden?«
Sie rang nach Atem, und keiner rührte sich, keiner sagte ein Wort. Der Rauch quoll und wirbelte, der Kuchen war praktisch verbrannt, ihre Lunge rasselte vor Anstrengung, die Luft einzusaugen, die sie so dringend brauchte, denn sie war noch nicht fertig. »Und ich wollte, dieses Haus würde tatsächlich abbrennen«, sagte sie, doch jetzt krächzte sie nur noch, denn dieses Ding hatte mit seinen Klauen alle Resonanz aus ihrer Stimme gerissen, diese Krankheit, die einen willkürlich befiel, die sich in ihrem Körper ausbreitete und sie langsam erdrosselte. »Dann könnten wir dieses Rattenloch verlassen und zurückkehren in ... in« – und plötzlich musste sie wieder husten und husten, bis sie spürte, dass der Schleim sich in heißem Blut löste, und obgleich sie versuchte, es hinunterzuschlucken, füllte es ihren Mund, färbte ihre Lippen rot und spritzte in hellroten Tröpfchen auf
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