San Miguel: Roman (German Edition)
damit sie sich ein wenig röteten, doch es kam keine Röte, und so griff sie zum Rouge und massierte zwei Tupfen in die eingefallene Haut, aber das sah irgendwie noch schlimmer aus. Egal. Sie hatte Pflichten, und die betrafen auch Will, ihren Mann, der draußen im Regen war und arbeitete, für Zuwachs und Gewinn, für sie.
Nach ihrer Taschenuhr war es halb elf, als sie hinunterging, und um kurz nach elf hatte sie eine ganze Kanne Kaffee gekocht und ein halbes Dutzend Sandwiches mit Lammfleisch und Zwiebeln in ein Handtuch gewickelt und neben der Kanne in den Tiefen eines Korbes verstaut. Dann zog sie Hut und Mantel an, nahm ihren Sonnenschirm, trat durch die Vordertür und ging die zwei Stufen hinunter und hinaus in den Regen.
Es war matschig, doch damit hatte sie gerechnet – womit sie nicht gerechnet hatte, war das Gefühl der Befreiung, das sie überkam, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Sie war unter freiem Himmel, mehr nicht, aber ihr wurde bewusst, dass sie zum erstenmal seit Tagen das Haus verließ. Dunkel ragte es hinter ihr auf, doch sie wandte sich nicht um. Sie achtete auf ihre Schritte und konzentrierte sich darauf, in dem sepiabraunen Schlamm, der an den Stiefelspitzen klebte und an den Absätzen saugte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Regen prasselte auf den Sonnenschirm. Alles roch nach frischgepflügter Erde.
Sie fand Will hinter dem zweiten Felsvorsprung, wo er in einem Sturzbach stand und die Schaufel schwang, ebenso wie Adolph und Jimmie, und es war wie an dem Tag, als sie die Hummer gefangen hatten, nur dass die Schubkarre jetzt mit einer gelben Suppe aus flüssigem Schlamm gefüllt war und alle drei verzweifelt aussahen.
»Ich bringe Kaffee«, sagte sie. »Und Sandwiches.«
»Bei diesem Wetter hättest du nicht kommen sollen«, sagte Will, stieß die Schaufel in die Erde und ging ihr entgegen. Auch Adolph und Jimmie legten die Schaufeln hin und bewegten sich auf sie zu, als wären sie soeben aus einem Traum erwacht.
»Ich weiß doch, wie schwer ihr arbeitet«, sagte sie. Ihre Füße rutschten, die Stiefel waren ruiniert, die Strümpfe nass. »Und ich hatte das Gefühl, ihr alle könntet eine Stärkung vertragen, etwas Warmes.« Sie konnte den Korb nicht abstellen – er wäre davongespült worden, über den Rand des Weges und hinunter in die Schlucht, wo das gelbe Wasser toste und Steine mit sich riss –, und sie hatte Schwierigkeiten, ihn Will zu übergeben und gleichzeitig ihren Sonnenschirm zu halten. In diesem Augenblick erkannte sie, wie absurd es war, ihnen diesen Korb zu bringen: Wo sollten sie den Kaffee trinken und die Sandwiches essen, die sich, kaum ausgewickelt, in Brei verwandeln würden? Es gab keinen Unterstand, keine Stelle, wo man sich hätte setzen können. Der Regen strömte unaufhörlich herab, alles war in Bewegung, grau über ihren Köpfen, gelbbraun unter ihren Füßen.
Doch sie kamen zu ihr und drängten sich unter dem notdürftigen Schutz des Schirms zusammen, sie hielten ihr die Becher hin, die sie mitgebracht hatte, und ließen sich Kaffee einschenken, sie nahmen die Sandwiches und bissen hinein, und beim Kauen ging ihr Blick ins Leere.
Sie wollte etwas über die Bedingungen sagen: dass sie in Erwägung ziehen sollten, für heute aufzuhören, bevor einer in die Schlucht gespült oder von einer Schlammlawine begraben wurde, doch statt dessen wandte sie sich an Will – Will, von dessen Schnurrbart Wasser troff und dessen Hutkrempe schlaff über die Ohren hing – und schnalzte mitfühlend mit der Zunge. »Du Armer«, sagte sie.
Er kaute. Er trank. »Wenn du meinst, das hier ist schlimm, hättest du im Krieg dabeisein sollen.«
Adolphs Augen waren völlig ausdruckslos, und Jimmie sah aus, als könnte er im Stehen einschlafen. »Das hier ist aber nicht der Krieg«, sagte sie.
Er trank den Kaffee, drehte den Becher um, damit der Satz herauslief, und reichte ihn ihr. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, er wiegte sich leicht vor und zurück und grinste. »Ich gebe zu«, sagte er, »die Bedingungen könnten besser sein.« Er sah zu Adolph und Jimmie und dann zu ihr. »Aber wenigstens schießt niemand auf uns.«
DER KUCHEN
Ida war die erste (sie hatte am achten Februar Geburtstag, Edith am zwölften), und alle wollten, dass es für sie ein besonderer Tag war, und darum war Marantha, obgleich es wieder regnete – noch immer und, wie es schien, für immer – und obgleich sie kaum geschlafen hatte und sich fühlte, als würde sie von
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