San Miguel: Roman (German Edition)
Stimme schien von irgendwo aus dem Äther zu kommen, doch als Marantha überrascht herumfuhr, stand Ida hinter ihr, keinen halben Meter entfernt, und sah ihr über die Schulter. »Oder wird das Brot?«
»Nein«, sagte sie leise und versuchte zu verbergen, was sie tat, »nein, das wird kein Brot. Ich ... Es ist alles gut. Alles in Ordnung.« Sie hielt einen Augenblick inne, schlug dann so beiläufig wie möglich die beiden restlichen Eier auf, rührte sie unter und ließ vorsichtig die zweite Tasse Mehl hineinrieseln.
»Ich will mich ja nicht in Sachen mischen, die mich nichts angehen, aber sind das nicht ein bisschen viele Eier?«
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Mit einemmal war es eng in der Küche. Sie hörte den Hund vor der Tür winseln, und das war irgendwie ärgerlich, denn er durfte nicht ins Haus und hätte es eigentlich besser wissen müssen – sollte er doch versuchen, bei Adolph und Jimmie in der Baracke unterzukommen. Ein Augenblick verging. Ida rührte sich nicht.
»Wissen Sie, Ma’am, ich würde Ihnen gern helfen, wenn Sie wollen«, sagte Ida und stand immer noch gleich hinter ihr. »Wollen Sie sich nicht lieber im Salon an den Ofen setzen, während ich das hier fertigmache?«
Sie spürte die Kraft, die von ihrer Schulter in Unterarm und Handgelenk floss, während sie den Teig knetete, bis er geschmeidig war. Ein Rührkuchen, das einfachste von der Welt. Sie hatte das Rezept im Kopf, es war das ihrer Mutter, und die Kuchen ihrer Mutter waren stets vorzüglich gewesen, besser als die vom Bäcker, besser als alles, was ihre Tanten oder ihre Großmutter oder irgend jemand sonst in der Nachbarschaft zustande gebracht hatten. Sie konnte sich lebhaft an einen Morgen vor langer Zeit erinnern: Auf dem Brennholzschuppen lag Schnee, Lebkuchen kühlten auf einem Tablett ab, das ganze Haus war vom süßen Duft des Kuchens erfüllt, den ihre Mutter gerade aus dem Ofen geholt hatte, und sie saßen mit Bechern voll heißer Schokolade am Fenster und sahen zu, wie das heftige Schneetreiben die Welt verwandelte. »Wo ist eigentlich der Vanilleextrakt geblieben?« fragte sie beiläufig. Sie wollte sich nicht umdrehen, sie wollte die kleine Komödie nicht beenden. »Ich hoffe, wir haben ihn eingepackt. Mit den anderen Küchensachen.«
»Sie backen einen Kuchen.« Idas Stimme war ganz leise.
»Stimmt, ja.« Sie ließ die Bestätigung einen Augenblick in der Luft hängen. Ihre Schultern hoben und senkten sich, der Löffel klickte in der Tiefe der Schüssel, und dann musste sie sich einfach umdrehen. Ihr Lächeln, eine Mischung aus Mitgefühl und Verlegenheit, wurde unsicher, als sie Idas Gesichtsausdruck sah. »Es sollte eigentlich eine Überraschung sein.«
»Sie brauchen für mich nichts Besonderes machen, Ma’am«, murmelte Ida, ließ die Arme hängen und faltete die Hände in der Schürze, als wollte sie sie verbergen. Marantha musterte sie kurz: die Gummistiefel in Männergröße, das ordentliche dunkelviolette Kleid mit dem weißen Spitzenkragen, das Haar so gekräuselt, dass es sich der Bürste widersetzte. In Idas Augen standen Tränen. Ihre Zähne bearbeiteten die Unterlippe. »Weil ich nämlich noch nie ... das heißt, bei uns wird so was nicht – «
»Unsinn«, sagte sie und dachte an die Iren zu Hause in Boston, an die Berge von Wäsche, die schmutzigen, zerlumpten Kinder, an die Betrunkenen und Bettler. Sie legte den Löffel hin und nahm Idas Hand. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, sagte sie und strich mit dem Daumen über die Handfläche des Mädchens. Sie wollte gerade fortfahren: »Und noch viele, viele weitere Geburtstage«, als der Husten sie überraschte und sie sich abwenden und vorgebeugt, das Taschentuch an den Mund gepresst, zum Stuhl in der Ecke gehen und sich setzen und ausruhen musste, bis sie wieder Luft bekam.
Es war ein langer Morgen. Ida bemühte sich um sie – »Kann ich Ihnen etwas bringen? Eine Tasse Brühe vielleicht? Möchten Sie sich ein bisschen hinlegen?« –, aber sobald der Anfall vorbei war, bestand Marantha darauf, den Kuchen zu Ende zu backen. Natürlich würde sie das tun – was für ein Geburtstag wäre das denn, wenn Ida ihren Kuchen selbst backen müsste? Sie fühlte sich ein wenig schwindlig, sie war sogar etwas erhitzt, doch sie gab den Teig in die Form und schob das Mädchen beiseite. »Aber Ma’am«, sagte Ida, »Sie kennen diesen Ofen nicht, er darf nicht zu heiß sein, sonst – «
»Ich bin doch keine Anfängerin, Ida. Ich habe
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