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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Lächeln aufsetzen musste, wo sie sich doch am liebsten die Haare gerauft und geschrien hätte wie die Verdammten in Dantes Feuerfluss. Sie war überrascht, ihre Mutter und ihren Stiefvater um diese Zeit im Salon zu finden. Es war eigenartig, sie so zusammen zu sehen, besonders am Nachmittag. Ihre Mutter war mehr und mehr ans Bett gefesselt, wo sie las oder strickte oder am hellichten Tag einnickte, um dann bis in die frühen Morgenstunden die Lampe brennen zu lassen, und Ediths Stiefvater war ständig unterwegs und tat, was auch immer er tun mochte, wenn er nicht auf einer matschigen Ranch im Nirgendwo mit Schafen kämpfte. Er sagte, er habe Geschäfte zu erledigen – über die Einzelheiten schwieg er sich aus.
    Noch bevor sie ihren Mantel ausgezogen hatte, spürte sie die Spannung in der Luft. Ihr Stiefvater saß steif und mit zusammengebissenen Zähnen in dem Sessel am Fenster und starrte auf die Straße, und ihre Mutter – in einem hübschen pflaumenfarbenen Kleid anstelle ihres Morgenmantels aus Chintz – saß ihm ebenso steif gegenüber. Sie hatten sich gestritten, soviel war klar. »Ich bin wieder da«, sagte sie, schlüpfte aus dem Mantel und hängte ihn an die Garderobe im Flur – draußen war es frisch, der Nebel legte sich über die Hausdächer und vertrieb die Sonne, und der Wind, der ihm vorausging, war regelrecht kühl, auch wenn sie das nie zugegeben hätte. San Francisco und kalt? Niemals.
    Ihre Mutter hüstelte in ihre Faust. »Dein Vater und ich haben uns besprochen«, sagte sie und sah zu Ediths Stiefvater, der sie jedoch nicht beachtete, ja nicht einmal den Kopf wandte, »und sind übereingekommen, dass du während des kommenden Schuljahrs hierbleiben wirst, in einem Internat.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis sie begriffen hatte, was das bedeutete, und dann war es mit einemmal, als wäre der Nebel aufgerissen, als erfüllte die Sonne den Raum mit blendendhellem Licht. Sie stand am Rand des Teppichs und fühlte sich wie vor einem Auftritt: Alle sahen sie an, der Dirigent hob den Taktstock. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »Es handelt sich um Miss Evertons Seminar für junge Damen«, fuhr ihre Mutter fort, »wo Rebecca Thompsons Töchter zur Schule gehen. Carrie Abbott hat sich sehr lobend darüber geäußert. Und der Lehrplan ist wie für dich gemacht: Französisch, Deutsch, Musik und Kunst.« Ihre Mutter lächelte ihr wunderschönes Lächeln, mit vollen Lippen und weißen, perfekt proportionierten Zähnen, und für einen Augenblick sah sie aus wie damals, als die Krankheit sie noch nicht in ihrem Griff gehabt hatte: jung, strahlend und selbstsicher. »Ich habe bereits mit Miss Everton gesprochen. Der Unterricht beginnt am vierzehnten September.«
    Ihr Stiefvater hatte hierzu nichts zu sagen. Im nächsten Moment stand er abrupt auf, nahm seinen Hut von der Garderobe, marschierte hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Es waren die Kosten, mit denen er nicht einverstanden war, dessen war sie sich sicher, als wäre Geld das einzige, was zählte. Aber ihr war das gleichgültig. Sie schwebte auf Wolken. »Oh, Mutter«, sagte sie, »Mutter.« Und dann kam sie, nur für einen Augenblick, wieder auf den Boden der Tatsachen: Das würde bedeuten, dass sie getrennt wären, zwei Tagesreisen voneinander entfernt, und sie war noch nie zuvor von ihrer Mutter getrennt gewesen.
    »Natürlich werden wir warten, bis du dich eingerichtet hast, bevor wir nach Santa Barbara fahren, und an Weihnachten kommen wir dich besuchen. Und wir werden uns schreiben. Wir werden uns täglich schreiben.«
    Es war wie ein Wunder. Nach allem, was sie auf der Insel und in Mrs. Sanders’ Klasse mitgemacht hatte, in die sie eigentlich gar nicht gehört hatte – die anderen Schülerinnen waren die reinsten Landpomeranzen gewesen, und Santa Barbara war alles andere als eine Großstadt –, hatte sie jetzt endlich das Gefühl, heimgekommen zu sein. Und sie hatte das Gefühl, es verdient zu haben. Wäre sie nie auf San Miguel gewesen, hätte sie nie ein Schaf oder ein Schwein gesehen oder die zermürbende Langeweile der ereignislosen Tage und Nächte ertragen müssen, in denen es niemanden gab, mit dem sie sich hätte treffen und unterhalten können, dann hätte sie Miss Evertons Schule nicht so würdigen können. Den anderen Mädchen mochte es normal erscheinen – es war das übliche, ein Ritual, das die Gesellschaft geschaffen hatte, um sie auf den nächsten Lebensabschnitt vorzubereiten, der damit beginnen würde,

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