Sanctum
ihm zu. »Danke sehr, Signore Rossi.«
»Danke. Ich werde Sie lobend erwähnen.« Eric eilte die Stufen hinauf. Noch zehn Sekunden länger und er hätte laut losgelacht. Gelegentlich wurde Frechheit doch mit einem Sieg belohnt.
Der Palazzo Nicolini, eines der teuersten Hotels der Ewigen Stadt, bestach durch die Mischung aus Moderne und vorletzter Jahrhundertwende. Der Hauch des frühen 20. Jahrhunderts schwebte umher, zeigte sich hier und da durch eiserne Tragesäulen, in die liebevoll Laub-und Blumenkränze eingegossen worden waren, an den alten Leuchtern an den Decken und Wänden. Glas und Stahl mischte sich unauffällig darunter, ohne den Charme des Erhabenen auszuhöhlen.
Unmittelbar am Eingang befand sich die Garderobe, an der Eric seinen Mantel abgab, und nach einem kurzen Marsch durch einen Gang mit Kuppeldecke betrat er die kreisrunde Lobby.
Die Halle schwang sich vier Stockwerke in die Höhe und erzeugte eine Theateratmosphäre. Auf allen Ebenen standen die Gäste, plauderten und aßen. In der Mitte der Lobby saß eine Musikertruppe, die leise klassische Musik spielte. Eric erkannte belanglosen, dahinplätschernden Barock, der wenigstens perfekt dargeboten wurde.
Zwei Springbrunnen mit wechselndem Fontänenspiel erfreuten die kindlicheren Gemüter unter den Gästen, Kellnerinnen und Kellner liefen geschäftig umher, brachten volle Gläser und räumten leeres Geschirr weg. Eifrige Ameisen und zu viele Königinnen, so kam es Eric vor.
Noch sah er seine Zielperson nicht, von deren Rolle er aus dem Netz erfahren hatte: Maria Magdalena Rotonda gab sich die Ehre, zusammen mit einigen Möchtegerngrößen aus der römischen und internationalen Society Geld für die Bedürftigen zu sammeln.
Eric mochte die wenigsten Charity-Veranstaltungen. Die Kosten für den Sekt, der hier ausgeschenkt wurde, hätten ausgereicht, um alle Penner ein Jahr lang mit dem Nötigsten zu versorgen.
Er sog die Gerüche ein und entdeckte zu seiner Erleichterung nichts Verdächtiges. Sicher war er sich allerdings nicht. Der massive Einsatz von Parfüm führte zu akuter Duftverschmutzung in der Luft und schwang sich wie ein klebriger Vorhang vor seine Nase. Er würde Acht geben müssen.
Er nahm sich ein Glas von einer der vorbeieilenden Kellnerinnen und rief sie zurück. »Entschuldigen Sie. Können Sie mir sagen, wo ich Signora Rotonda finde?«
Die junge Frau musterte ihn, und er fand bei ihr unverkennbar Gefallen. Er bildete eine glückliche optische Ausnahme zu achtzig Prozent der Gäste, die sich offenkundig im Alter jenseits der Sechzig bewegten oder nach diversen Liftings so taten, als seien sie vierzig. Sie zeigte auf die dritte Empore. »Versuchen Sie es mal da, Signore. Vorhin habe ich sie dort oben gesehen.«
»Danke.« Er ließ sie stehen und wanderte langsam durch die Lobby, um nicht aufzufallen. Es gab auch keinerlei Grund, sich zu beeilen. Er verzichtete auf den Fahrstuhl, sondern nutzte die Treppe, um in den dritten Stock zu gelangen. Er schlenderte gemächlich den Gang entlang und sah immer mal wieder hinab zu den Musikern und Gästen. Die Gespräche vermischten sich zu einem einzigen Geräusch, einem Dauermurmeln, in dem es Höhen und Tiefen gab; zwischendurch erklang ein Lachen.
Als er den Kopf wieder nach vorn richtete, stand er einen Meter von Maria Magdalena Rotonda entfernt. Er hatte nicht bemerkt, wie nahe er ihr gekommen war. Sie hatte für diesen Anlass ein hochgeschlossenes Kleid gewählt, und das bisschen Haut, das sie am Hals und an den Handgelenken zeigte, wurde von Schmuck bedeckt.
Sie sah aus wie auf dem Foto, war allerdings eindrucksvoller und umgeben von einer natürlichen Autorität, die Männer und Frauen gleichermaßen auf Abstand hielt. Wie gut, dass er etwas Besonderes war.
Eric besaß keine Strategie, sondern versuchte es mit einem Frontalangriff, der eine Reaktion hervorrufen musste. Er ging auf sie zu, reihte sich in die Schar der gut gekleideten Männer und wenigen Frauen ein, die sie umgab, lächelte in die Runde, lächelte Rotonda an, lachte, zeigte Zähne. »Dürfte ich Sie einen Moment lang entführen, Signora?«, sagte er charmant. »Mein Name ist Armand Landur, ich vertrete einen großen Konzern, in dessen Auftrag ich Sie für ein Projekt begeistern möchte.«
Rotondas blaue Augen taxierten ihn. »Welcher Konzern wäre das?«
Eric lächelte unverbindlich und deutete mit seinem Sektglas in die Runde. »Nicht vor so vielen Augen und Ohren, Signora Rotonda.«
»Sie machen es
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