Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
die sich für Wandelwesen interessierte. Oder war der Mann ein Einzeltäter?
    Er stieg die Stufen hinauf, näherte sich dem vierten Stock und legte sich sein weiteres Vorgehen zurecht. Es war zu spät, aus dem Verborgenen heraus zu agieren, denn Maria Magdalena Rotonda würde ihren Bruder sicherlich auf den seltsamen Ausländer ansprechen, der mit dem Familienwappen durch die Gegend lief. Noch konnte Eric den Mann jedoch überraschen.
    Das oberste Stockwerk hatte kleine Balkone, vom Gang her nach vorn ausgebaut, die Sitzgruppen für etwa zehn Personen boten. Es war sicher nicht jedermanns Geschmack, mehr als sechzehn Meter hoch frei über der Lobby zu schweben, dafür besaß man einen herrlichen Ausblick.
    Padre Giacomo Rotonda saß mit zwei weiteren Priestern auf dem rechten der Balkone. Eric kannte sein Gesicht von der Familienhomepage. Die schwarzen Soutanen machten die Männer auf den dunklen Ledersesseln beinahe unsichtbar, zumal es hier oben ohnehin dunkler als in den anderen Etagen war. Genau der richtige Ort, um sich in aller Ruhe und beinahe ungesehen zu unterhalten.
    Eric machte durch Winken auf sich aufmerksam, dann zeigte er auf Padre Giacomo und bedeutete ihm, zu ihm zu kommen. Mit Dreistigkeit war er ja bereits einmal heute Abend weitergekommen.
    Der Priester wechselte einige Worte mit den Männern, dann erhob er sich und kam tatsächlich zu Eric. Sein Gesicht war schlank, zu schlank für einen Mann seiner Größe, wodurch seine Gesamtproportionen etwas verschoben wirkten. Er hatte die kurzen schwarzen Haare mit einem Seitenscheitel nach rechts gelegt, die Augen besaßen eine undefinierbare Farbe, zwischen grün und braun. »Was kann ich für Sie tun, Signore …?«
    »Armand Landur.« Er nickte knapp. »Ich habe Ihre Schwester schon belästigt, und sie sagte mir, Sie wären der richtige Ansprechpartner.« Er nahm das Medaillon ein zweites Mal aus der Tasche. »Sie meinte, das hier könnte Ihnen gehören.«
    Rotonda zog die Augenbrauen nach oben, und sein Gesicht schien sich zusätzlich zu dehnen. »Darf ich es mal sehen?« Er streckte die Hand aus.
    »Sicher.« Eric reichte ihm das Medaillon.
    Er hob es dicht vor sich, drehte und wendete es. Dann fuhr seine linke Hand in die Tasche seiner Soutane – und nahm einen identischen Anhänger heraus. »Wie überaus ungewöhnlich«, sagte er und gab dem vollkommen verdutzten Eric seinen Fund zurück. »Es sieht tatsächlich aus wie mein Medaillon. Ist es aber nicht. Wo haben Sie es gefunden?«
    Beinahe hätte er laut geflucht. »Nicht weit von hier, auf dem Petersplatz«, log er. »Ich habe mich umgehört und bin auf die Familie Rotonda gestoßen.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie so viel Mühe auf sich genommen haben.« Schlagartig lächelte Rotonda, sein Gesicht schien für den Mund plötzlich zu schmal zu sein. »Und was für ein glücklicher Zufall, dass Sie ebenfalls hier anzutreffen sind.«
    »Tja.« Eric betrachtete das halb zerstörte Medaillon. »Wer aus Ihrer Verwandtschaft könnte es sonst noch vermissen? Der Kardinal vielleicht?«
    »Nein.« Rotonda zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat jemand den Schmuck auf einer Abbildung gesehen und sich eine Kopie davon anfertigen lassen, weil er ihm so gut gefallen hat.«
    »Das wäre die einzige Erklärung. Es sein denn«, Eric verlor das Lächeln nicht, »Sie hätten dieses hier«, er hielt seinen Fund hoch, »wirklich verloren. Und zwar nicht auf dem Petersplatz, sondern in Plitvice, neben einem brennenden Hubschrauber. Als Sie merkten, dass es verschwunden war, haben Sie ein Imitat anfertigen lassen, um mich und den Rest der Welt glauben zu lassen, dass Sie es immer noch besitzen.«
    Rotonda lachte herzhaft. »Sie sind ein sehr unterhaltsamer Mensch, Signore Landur. Mit einer Fantasie, die einem Schriftsteller ebenbürtig ist.«
    »Ja, finden Sie tatsächlich?« Eric hielt die Hand offen hin. »Geben Sie mir Ihren Anhänger, und ich lasse beide untersuchen. Ich wette, dass mein Schmuck älter als der Ihre ist.«
    »Sie haben genug gescherzt, Signore Landur.« Rotonda wandte sich halb zur Seite, dann schnappte er blitzartig nach dem zerstörten Medaillon.
    Eric war von der Geschwindigkeit wirklich überrascht und schloss die Hand zu langsam. Das Schmuckstück fiel zu Boden.
    Eric bückte sich sofort danach, aber Rotonda stellte einfach seinen Stiefel darauf. »Bevor ich Sie wegen des Besitzes eines Plagiats eines historischen Siegels anzeige, lassen Sie es mir«, schlug er höhnisch vor und

Weitere Kostenlose Bücher