Sanctum
geheimnisvoll.« Sie schaute ihn noch einmal an, dann wanderten ihre Augen über die Brüstung nach unten. »Aber ich muss Sie enttäuschen. Geschäftliches bespreche ich ausschließlich in meinem Büro und nicht auf Wohltätigkeitsbällen, Signore Landur.« Sie zeigte auf einen Mann auf der Tanzfläche. »Das ist mein Privatsekretär. Vereinbaren Sie bitte mit ihm einen Termin.« Sie hob den Arm mit dem Sektglas und entließ ihn mit einem Augenaufschlag.
Die Männer um ihn herum grinsten mehr oder weniger verborgen. Sie gönnten dem Anfänger, dass er gegen die Wand gerannt war. Mit Anlauf.
Eric hatte nicht vor, so schnell aufzugeben. Er steckte die Hand in seine Hosentasche, nahm das verbrannte Medaillon hervor und ließ es kurz aufblitzen. »Würden Sie dennoch kurz mit mir kommen?«
»Unser Familienamulett?« Rotonda sah nicht im Mindesten beeindruckt oder alarmiert aus. »Wo haben Sie das gekauft?«
»Nicht gekauft. Gefunden, Signora.«
»Sie möchten einen Finderlohn von mir? Da sind Sie an der falschen Stelle, Signore Landur, zudem es nicht das Original ist. Aber für eine Fälschung sieht es wirklich überzeugend aus, Kompliment. Das sollten Sie meinem Bruder zeigen, Padre Giacomo. Er wird sich sicher dafür interessieren, wer es kopiert. Und er wird Ihnen sicherlich dankbar sein und Ihnen den Wunsch erfüllen, den wir doch alle insgeheim hegen, die wir uns heute hier zusammengefunden haben … Sie segnen.« Die Männer und Frauen um sie herum lachten höflich, nicht zu laut, aber vernehmbar. Dieses Mal drehte sie sich absichtlich von Eric weg. Eine gesellschaftliche Ohrfeige und das Zeichen, dass es nichts mehr zu bereden gab.
»Vielen Dank für Ihre Zeit, Signora Rotonda.« Eric deutete eine Verbeugung an und entfernte sich. Er hatte nicht den Eindruck gewonnen, dass sie etwas vor ihm verborgen hatte. Vielleicht ergab die Unterhaltung mit ihrem Bruder mehr. Sie musste einfach mehr ergeben.
Eric kehrte in die Lobby zurück und suchte die Kellnerin, die er vorhin schon einmal um Auskunft gebeten hatte. Kein leichtes Unterfangen, doch es gelang ihm recht gut, er hatte sich ihren Duft gemerkt. Als er sie nach dem Bruder der Konzernchefin fragte, deutete sie ganz nach oben.
»Der Padre ist ganz oben, bei den anderen Geistlichen. Wie immer eben.« Sie lächelte, nahm ihm sein leeres Glas ab und reichte ihm ein neues, halbvolles. »Hier, der ist kalt.«
»Sie kennen sich gut hier aus«, bemerkte Eric.
»Ich bin jedes Jahr bei diesem Wohltätigkeitsball dabei, und da kennt man die Leute schon ein wenig. Es sind ja immer dieselben.« Sie lächelte. »Bis auf Sie.«
»Ja, das stimmt.« Er zückte einen Zwanzig-Euro-Schein und reichte ihn ihr. »Was muss man noch über den Padre wissen? Oder über die anderen Gäste?«
Sie schaute ihn verwundert an und dann auf die Banknote.
Eric beugte sich nach vorn und flüsterte: »Ich bin in Wirklichkeit Journalist. Ich interessiere mich dafür, was hinter der sauberen Fassade der Charity-Bälle geschieht. Wie ehrlich es den Stars ist und was sie ansonsten so alles tun, wenn sie sich unbeobachtet glauben.«
Sie zögerte. »Ähm …«
»Denken Sie nach: Hat einer von der illustren Gesellschaft seltsame Angewohnheiten?« Eric schob einen Zwanziger hinterher, den sie schnell einsteckte.
Die Kellnerin deckte ihn mit einer Flut von Informationen ein, angefangen von verheimlichten Lippenaufspritzungen über Sex in Nachbarräumen zwischen Angestellten und Gästen bis hin zu Alkoholismus und Drogenkonsum. Irgendwie wunderte es Eric nicht.
»Und die Padres in der obersten Etage?«, hakte er ein. »Gibt es über die was zu berichten?«
»Die?« Die Kellnerin tat so, als füllte sie Gläser nach, um nach außen hin das lange Gespräch zu rechtfertigen. »Nein, die trinken nicht einmal Wein. Kein Wunder, sind absolute Hardliner. Wenn heutzutage jemand die Kreuzzüge neu ausrufen würde, wäre das Padre Rotonda. Oder sein Cousin.«
»Sein Cousin? Ist er auch hier?«
»Kardinal Claudio Zanettini lässt sich doch bei so einer Veranstaltung nicht blicken. Den sehen Sie höchstens mal bei einer Papstaudienz.« Sie schnappte sich das Tablett und verließ ihn. »Verzeihung, ich muss weiter. Aber von mir haben Sie das alles nicht, ja?«
»Ich weiß nicht einmal mehr, wer Sie sind.« Und das stimmte sogar, sie hatte ihm ihren Namen nicht genannt.
Eric war zufrieden und beunruhigt zugleich. Wenn dieser Padre etwas mit dem Welpen zu tun hatte, gab es noch eine Gruppe Geistlicher,
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