Sanctum
gefunden. Jetzt bewegen Sie sich so normal, als hätte es Sie niemals erwischt. Sind Sie eine Art … Übermensch? Oder ein … Engel?« Sie leerte das Glas. »Mein Alkoholpegel sinkt. Das kann ich … im Moment gar nicht gebrauchen. Haben Sie irgendwo Wein?«
Ein Engel? So hatte ihn nun wirklich noch niemand genannt. Ob Severina ahnte, dass sie gerade eigentlich einen verdammt guten Witz gemacht hatte?
Eric betrachtete sie. Sie hatte sich geduscht, eine weiße Hose und einen schwarzen Pulli von ihm angezogen, die Füße waren nackt. Ihr Reisegepäck lag noch immer im Hotel, es war keine Zeit gewesen, es abzuholen. Anscheinend hatte Severina noch schwer mit dem zu kämpfen, was sie mit ihm zusammen erlebt hatte. »Sie schwanken auch ohne Wein schon.«
»Ja, und? Ich versuche zu vergessen, dass es mich beinahe erwischt hätte. Und dass ich Kugeln aus Ihrem Fleisch gezogen habe.« Sie schüttelte sich und wartete nicht länger auf Hinweise von ihm, sondern ging zum Kühlschrank und fand tatsächlich eine Flasche Weißwein. »Korkenzieher?«
Eric ärgerte sich seit seinem Erwachen unaufhörlich. Das Silber hatte ihn gehörig geschwächt, mehr als er zunächst angenommen hatte. Sein Kreislaufversagen hatte ihn das Geheimnis seiner schnell verheilenden Wunden gekostet, und er wusste überhaupt nicht, wie er Severina das alles erklären sollte.
Vielleicht musste er es auch nicht. Mit etwas Glück hatte sie es nach ihrer Ausnüchterung wieder vergessen, und er konnte sich zur Tarnung ein paar Pflaster und Verbände anlegen.
Er zog die Schublade auf und warf ihr den Korkenzieher zu, sie stellte das Glas ab und fing ihn blitzartig auf. »Danke, dass Sie mir geholfen haben.«
Severina winkte ab und drehte das spiralförmige Eisen in den Korken. Er ahnte, dass sie lediglich abgebrüht tat. »Mein Vater, ein echter Chirurg, wäre für das, was ich an Ihnen vollbracht habe, stolz auf mich, was er sonst nie ist. Diese Blutorgie werde ich später sicherlich in Bildern verarbeiten und einen Eimer voll Geld damit verdienen. Albträume lassen sich so wenigstens sinnvoll nutzen.« Mit einem Plopp kam der Korken aus dem Flaschenhals, und sie goss sich das Glas randvoll.
Eric wusste sehr gut, wovon sie sprach. Auch seine eigenen schrecklichen Traumbilder waren größtenteils auf Leinwand gebannt, teilweise fanden sie sogar Käufer. Verkaufte Seelenzerstörer. »Es ist vielleicht besser, wenn Sie sich von nun an zurückziehen. Ich habe noch ein Haus in …«
»Nein«, beharrte sie störrisch, wie es nur Betrunkene und kleine Kinder vermochten. »Mein Exfreund läuft hier rum, Sie Schutzengel. Und ich will wissen, wie es endet. Und wie Ihre Frau aussieht.« Wieder dieser bösartige Tonfall in der Stimme. »Ich habe keine Ahnung von Geschossen, aber ist es normal, dass Kugeln so aussehen? Blei glänzt nicht so, oder? Braucht man so etwas, um Engel zu erlegen?«
»Wird irgendeine Legierung sein«, wiegelte er ab. Die Zeit arbeitete zu seinen Ungunsten, und solange Severina nicht schlief – tief schlief – wollte er nicht aus dem Haus gehen.
Nun: Die Wirkung des Alkohols ließ sich verstärken.
»Warten Sie, ich habe einen besseren Wein. Der ist eigentlich zum Kochen gedacht.« Er nahm die Flasche und stellte sie weg, ging in den Vorratsraum und wählte einen halbtrockenen Rotwein. Nach dem Entkorken gab er drei Beruhigungstabletten hinein und löste sie darin auf. Es war ein starkes Mittel, verschreibungspflichtig und mindestens so stark wie eine Valium.
Er kehrte zu Severina zurück und füllte ihr leeres Glas. Sie nippte daran, überlegte und trank einen großen Schluck. »Lecker und besser.« Ihre Hand zitterte: ein nicht zu leugnendes Anzeichen, dass sie doch noch unter dem Eindruck der Schießerei und der behelfsmäßigen OP stand. »Essen wir was?«
»Ja, gute Idee. Ich brauchte etwas zur Stärkung.« Weil Eric keine Lust hatte, dafür Pfannen und Teller dreckig zu machen, wählte er ein paar Schnellgerichte aus und setzte Wasser auf.
In der Zwischenzeit war Severina beim zweiten Glas Rotwein angelangt. Sie saß am Küchentisch, eine Hand stützte das Kinn, und die Lider senkten sich unentwegt. Noch kämpfte sie gegen den Schlaf und trank dabei gnadenlos weiter. »Kommen Sie, ich bringe Sie ins Bett.« Er fasste um ihre Taille und führte die schwankende Frau aus der Küche. Sie schnappte sich die Weinflasche.
»Die geht mit«, nuschelte sie. »Wenn ich schon nichts zu essen bekomme, saufe ich wenigstens.«
Er trug
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