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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Schwarzhaarige nach unten. »Sie führt hier oben entlang nach Westen.«
    Jean schickte noch Rebekka hinauf, mit Debora ging er auf der Straße weiter, um nach weiteren Spuren Ausschau zu halten.
    Sie liefen lange, und irgendwann kehrten Sarai und die Übrigen wieder auf die Erde zurück. Der Comte hatte seinen Weg durch Trasteveres enge Gassen fortgesetzt. Jetzt wurde es gefährlicher für die Jäger, weil ihr Feind hinter jeder Ecke und in jedem Durchgang lauern konnte. Aus diesem Grund bewegten sie sich leicht versetzt, die Waffen gezogen und unter Schals oder Mänteln verborgen, damit die arglosen Bürger nicht nach der Wache schrien.
    Die Blutspur wurde breiter, das Silber fraß sich wohl durch den Körper des Comtes und verschlimmerte die Wunden. Sie führte Jean und die Seraphim in einen Hinterhof, auf dem es widerlich stank.
    Sie befanden sich auf der Rückseite eines fensterlosen Backsteingebäudes, Abfälle jeglicher Art stapelten sich dort. Die roten Tropfen und langen Linien endeten in einem menschengroßen Berg aus unzähligen abgenagten Fischkadavern, die bereits lange lagerten und trotz der winterlichen Kälte einen Geruch freisetzten, der Übelkeit erregte. Daneben standen eine Vielzahl Fässer mit abgehackten Schweine-und Rinderfüßen; ein im Durchmesser drei Schritt großer Kessel, der bis auf eine winzige Ecke mit einer Segelplane abgedeckt war, beinhaltete verschiedenfarbige Asche.
    Jean deutete auf die deutliche Erhebung unter den Fischkadavern, von der feiner Rauch aufstieg. Der Comte bewegte sich zwar nicht, doch die schwärenden Wunden verrieten seinen Jägern genau, wo er sich versteckt hielt. Die kampfbereiten Seraphim umstellten ihn; Ratten huschten zwischen ihren Füßen davon.
    »Komm raus, Bestie!«, rief Jean. »Wir wissen, dass du dich verkrochen hast. Stell dich einem letzten Kampf und empfange den Tod.«
    Die Fischkadaver gerieten in Bewegung, der Kopf des Comtes tauchte auf, der Oberkörper folgte. Von seiner Schönheit war wenig geblieben: Über sein bleiches Gesicht rann der Schweiß, in der linken Hand hielt er eine lange, blutige Gräte, mit der er anscheinend in der Wunde nach der Silberkugel gestochert hatte. Er grinste und zeigte das Gebiss eines Wolfes, seine Augen waren von einem Schleier überzogen. »Ich bin noch lange nicht tot, Chastel.«
    »Du wirst es gleich sein.« Er zielte auf den Kopf, genau auf die Nasenwurzel. »Selbst dein Vater will keine Bestie wie dich mehr beschützen. Er sagte, ich solle dich schnell töten und dich nicht leiden lassen. Diesen Wunsch erfülle ich ihm.«
    »Mein Vater?« De Morangiès lachte heulend. »Ja, das passt zu ihm. Du dummer kleiner Jäger … Er hat dich glauben lassen, dass ich der einzige Loup-Garou im Gevaudan bin, nicht wahr?«
    »Tötet ihn, Monsieur!«, sagte Sarai leise. »Er wird versuchen, Euch mit einer Lüge davon abzuhalten.«
    »Eine Lüge? Wozu? Ich weiß, dass ich dem Tod geweiht bin«, fiel der Comte ihr grölend ins Wort. »Chastel, reise ins Gevaudan und biete meinem Vater einen silbernen Pokal an. Oder eine Silbermünze.« Er lachte heiser und erhob sich unsicher aus den Gräten. »Du wirst sehen, dass er sie nicht anfassen wird.« Schwankend und mit Fischüberresten behaftet stand er vor ihnen, aus der Schulter und dem Arm rann unaufhaltsam Blut. »Hast du es immer noch nicht begriffen, Chastel? Ich bin kein Bastard wie dein Sohn, kein dummes Tier, das nur seinen Instinkten folgen kann. Ich bin ein geborener Loup-Garou! Der Sohn meines Vaters … gezeugt von einer Bestie.«
    Jean wurde eiskalt. Diese Möglichkeit hatte er nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen in Betracht gezogen. Dann rief er sich zur Ordnung, um nicht auf die Märchen hereinzufallen. Der Comte war ebenso verdorben wie Antoine – jedes Wort, das seinen Mund verließ, war eine Lüge. »Sicher, de Morangiès. Ich werde es überprüfen.«
    Der Comte heulte plötzlich auf und fiel auf die Knie, hielt sich die Einschusslöcher, aus denen auf einmal dunklerer Qualm stieg. Das Silber hatte die Knochen erreicht, es stank widerlich und übertünchte sogar den Geruch nach Fisch.
    Jean ertappte sich bei dem Gedanken, nicht zu schießen, sondern einfach zuzusehen, wie sein Feind qualvoll verendete, und dieses Leiden stellvertretend für alle Opfer zu genießen. »Die Silberkugel ist eine Erlösung, die ich dir ungern gewähre«, sagte er angewidert und sah, wie sich einzelne Partien von Morangiès’ Körper in einen Werwolf verwandelten. Es machte

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