Sanctum
sagte Jean, und es fiel ihm nicht schwer, große Trauer in seiner Stimme anklingen zu lassen. Bernini brauchte nichts über die Seraphim zu wissen.
Die beiden Männer tauschten einige italienische Sätze miteinander. Sie redeten zu schnell für Jean, dass er Einzelheiten hätte verstehen können, aber offenbar entschieden sie sich gerade dazu, das Lager zu wechseln.
»Wir stehen Euch zur Verfügung, Monsieur«, sagte Bernini schließlich. »Wir helfen Euch, den Comte zu finden – wenn Ihr ihm die Gelegenheit gebt, seine Version der Geschichte zu erzählen, die Ihr uns eben vorgetragen habt. Nach wie vor fällt es uns schwer, Euch zu glauben.«
»Trotz des Erlebnisses mit dem schwarzen Panter?«
Ruffo und Bernini nickten.
»Ich bin mit Eurer Forderung einverstanden«, log Jean, der keinesfalls die Absicht hatte, dem mehrfachen Mörder eine Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben. Er war ein durch und durch schlechter Mann, der Heilung durch das Sanctum nicht verdiente. »Aber nun müsst Ihr mir offenbaren, was Ihr wisst. Wir haben bei unseren Nachforschungen festgestellt, dass es in der Vergangenheit bereits bestialische Morde in Rom gegeben hat, die zum Panter passen.« Er lenkte nun die Aufmerksamkeit auf Gregorias Erkenntnisse. »Wisst Ihr von einer Auseinandersetzung, von einem Feind, einer Person, die der Comte besonders hasst?«
Bernini und Ruffo redeten eine Weile miteinander. »Es gab einen Mann, von dem François früher gelegentlich erzählte. Er muss sich mit ihm heftige Schlachten an den Kartentischen geliefert haben, bis der Mann dafür sorgte, dass er nirgends mehr zu Spielen eingeladen wurde«, berichtete Bernini. »Ich vermute, François wurde beim Betrügen erwischt. Dafür wollte er sich rächen, aber dann ist er zurück zu seinem Regiment nach Spanien … oder war es woanders? François ist auf eine Insel gereist, glaube ich, und wir haben lange nichts mehr von ihm gehört.«
»Wann war das?«
»Die Fehde begann vor etwa zehn Jahren, dann hat er irgendwann bei einem Besuch grinsend verkündet, dass er wieder spielen dürfte. Es kann sechs Jahre zurückliegen, genau weiß ich es nicht mehr.«
Jean unterdrückte das Nicken. Die Wahrheit würden sie erst herausfinden, wenn sie den Panter stellten. »Kennt Ihr den Namen des Mannes?«
Ruffo grübelte, bis er sich entsann. »Ja«, übersetzte Bernini die Worte, die Jean dieses Mal sogar verstand. »Es war ein Kaufmann, der seinen Reichtum mit dem Handel von Gewürzen aus Indien gemacht hat. Sein Name ist Roscolio.«
»Indien. Da gibt es doch Panter, oder?« Jean sah den geschlossenen Kreis vor sich: Roscolio konnte mit einem indischen Wandelwesen in Kontakt gekommen sein, und so war ein äußerst exotisches Tier nach Rom gelangt.
Bernini erbleichte. »Gott steh uns bei!«
Jean ging zur Tür, um zu den Seraphim zu stoßen und die Jagd auf den Comte zu eröffnen. »Verlasst Euch nicht zu sehr auf Gott, Monsieur Bernini. Vertraut dem Silber und dem Schwarzpulver zuerst, bevor Ihr betet.« Er öffnete die Tür. »Bleibt, bis ich zurückkomme, danach besprechen wir, wo sich der Comte aufhalten könnte, falls wir ihn jetzt nicht finden. Danach besuche ich Monsieur Roscolio und sehe, was ich ihm entlocken kann. Bis dahin gebe ich Euch den Rat, alle Pistolen und Gewehre in Eurem Haus mit Silber zu laden und sofort auf den Comte zu feuern, wenn er sich blicken lässt. Ich vermute, er wird nicht länger zögern, Euch ebenfalls zu Wandelwesen zu machen.«
»Wie wollt Ihr die Wahrheit über Roscolio herausfinden?«, fragte Bernini.
Jean blieb auf der Schwelle stehen, seine Hand tätschelte den Knauf des Dolches.
Die Blutspuren waren unübersehbar: fingernagelgroße Tropfen, die in regelmäßigen Abständen auf dem Pflaster zu erkennen waren. Sie zogen eine Linie, die sie direkt zu dem Comte führen würde.
Jean spürte die Anspannung der Seraphim. Beim letzten Zusammentreffen mit einem Wandelwesen hatten sie Bathseba verloren, und der Comte stellte nach Jeans Ermessen die wesentlich größere Bedrohung dar.
»Wartet.« Jean bückte sich und betrachtete eine Stelle, an der mehrere Blutflecken auf dem Boden zu sehen waren. Um sie herum entdeckte er einige kleinere Spritzer, als seien sie aus größerer Höhe auf den Stein aufgeschlagen. Er schaute nach oben und entdeckte Kratzspuren an einem Mauervorsprung. »Er ist da hinauf.«
Sarai und Judith erklommen die grobe Hauswand bis hinauf aufs Dach. »Hier ist die Spur, Monsieur«, rief die
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