Sanctum
brach sich ihren Weg nach draußen! So durfte Severina ihn auf keinen Fall sehen, und noch weniger durfte sie in seine Nähe gelangen! Die Bestie hatte großen Hunger.
Mit Mühe stemmte Eric sich hoch und schloss das Bad ab, ehe er zurück unter den Wasserstrahl kroch.
»Eric?«, hörte er ihre Stimme aus weiter Entfernung.
»Ich muss kotzen«, rief er schwach und schlug mit dem Kopf gegen den Rand der Wanne, um sich selbst in eine Ohnmacht zu versetzen. Damit standen die Chancen besser, dass die Schlaftabletten ihn kaltstellten. Er wiederholte die Prozedur mehrmals, bis ihm die Sinne schwanden …
… und ihn lautes Klopfen aus dem Schlaf riss.
Die Sonne schien durch das schmale Fenster herein, das Wasser prasselte noch immer auf ihn nieder. Seine Haut hatte sich an den Zehen und an den Fingern zu einer unansehnlich schrumpligen Form zusammengezogen.
»Eric, wenn du nicht gleich antwortest, hole ich den Zimmerservice und lasse die Tür aufbrechen!«, vernahm er Severinas Stimme durch das Holz. »Eric!«
»Ich komme«, murmelte er und wiederholte die beiden Worte lauter. »Ich bin ausgerutscht und hingefallen, verzeihen Sie, dass ich nicht gleich geantwortet habe.« Eric wankte aus der Badewanne zur Tür, entriegelte sie und fiel Severina, die den hoteleigenen Morgenmantel trug, in die Arme.
»Ach du Scheiße«, ächzte sie und schleppte ihn zum Bett. »Du bist eiskalt. Hast du die ganze Nacht unter der Dusche gelegen?« Sie wickelte ihn in die Decke, die noch immer nach ihr roch, und bestellte beim Zimmerservice einen heißen Tee.
»Danke.« Er vermied es, sie anzusehen. Jetzt, nachdem die Zeit der Bestie beinahe verstrichen war, gehörten seine Gedanken wieder ihm allein, waren frei von Angst, jeden Moment die Kontrolle verlieren zu können. Nur der Druck in seinem Kopf erinnerte ihn daran, dass die gefährlichen Stunden noch nicht ganz vorüber waren. So stark wie in den letzten beiden Tagen war die Bestie seit Jahren nicht mehr gewesen. Warum fand sie gerade jetzt einen Weg, um ihn zu beherrschen?
Severina aufzusuchen war ein Fehler gewesen, und dass er die Nacht bei ihr verbracht hatte – während die Bestie auszubrechen drohte – unentschuldbar. Er hätte besser Schlaftabletten in einer Apotheke gekauft und sich unter einer Brücke oder in der Kanalisation zur Ruhe gelegt, als sie in Gefahr zu bringen.
Ein unbestimmbares Verlangen hatte ihn zu ihr geführt, vermutlich war es sogar die Bestie gewesen, um Severina anfallen und töten zu können und Eric damit seelische Qualen zuzufügen. Ihre Boshaftigkeit kannte keine Grenzen.
Gefahr drohte Severina aber nicht nur wegen der Bestie, sondern auch wegen der Gegner, die ihn vielleicht beobachtet hatten und ihm gefolgt waren. Im Grunde musste er sie sofort verlassen … und dennoch rührte er sich nicht.
»Hast du Schmerzen?«, erkundigte Severina sich besorgt, weil sie sein Schweigen nicht zu interpretieren wusste.
»Nein. Ich mache mir nur Vorwürfe«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Ich hätte Sie nicht belästigen sollen.« Eric betrachtete ihr Gesicht, horchte in sich hinein und bemerkte wieder diese merkwürdige Verbindung zu ihr.
Severina schnalzte mit der Zunge. »Nein, das ist schon okay. Aber die Geschichte mit dem Entzug glaube ich dir nicht.«
War sie doch ins Badezimmer gelangt und hatte ihn gesehen?
»Mein Bruder hat einen hinter sich gebracht. Glaub mir, ich erkenne Abhängige, wenn ich sie sehe.« Sie schüttelte den Kopf. »Du bist keiner, Eric. Aber du steckst in Schwierigkeiten.« Severina streckte die Hand aus und legte sie auf seinen Unterarm. »Lass mich dir helfen.«
Dieses verfluchte Blau ihrer Augen, das zu seinem Innersten vordrang und es umschmeichelte und beinahe die gleiche Stelle traf wie Lena, machte ihn weich. Seine Lage war nicht besonders gut, er würde wirklich Beistand benötigen. Andererseits … nein, er durfte sie nicht in Gefahr bringen!
»Ich … ich kann nichts sagen. Fragen Sie nicht, okay?«
»Okay. Egal, was es ist, wir bekommen es wieder hin.« Sie streichelte seine gefärbten blonden Haare und seufzte. »Auch wenn es der falsche Moment ist: Ich muss weg, Eric.« Severina fasste ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Mein Ex hat irgendwie herausgefunden, wo ich bin. Er hat angerufen, bevor ich dich geweckt habe, und mir gedroht. Ich bin ziemlich sicher, dass er schon auf dem Weg hierher ist.«
»Scheiße!« Eric setzte sich auf, rieb sich über das Gesicht und legte den Kopf nach
Weitere Kostenlose Bücher