Sanctum
Nachschub im Kampf gegen die Bestie. Bei drei Tropfen ließ er es für den Augenblick bewenden, sonst würde er einschlafen. Erst in der Nacht konnte er sich wieder richtig betäuben und die Bestie von der Gamma-Hydroxybuttersäure kaltstellen lassen.
Eric war über den Umstand sehr beunruhigt, dass die Bestie sich heftiger gegen die Chemikalie zur Wehr setzen konnte als sonst. Sie wusste, dass er sich entschlossen hatte, sie aus seinem Körper zu verbannen, und setzte ungeahnte Kräfte frei. Sie wehrte sich gegen den drohenden Untergang. Sein Vater hatte ihm dabei geholfen, Kontrolltechniken für das Monstrum in sich zu entwickeln und es bis zu einem gewissen Grad zu kontrollieren. Einzig die dominanten Vollmondnächte verbrachte er normalerweise in der sicheren Dumpfheit der Gamma-Hydroxybuttersäure. Diese Sicherheit war gefährlich ins Wanken geraten.
Eric suchte Reinigungschemikalien zusammen, setzte sich an den gekachelten Tisch und schaltete den Überwachungsmonitor ein. Damit konnte er verfolgen, was Severina im Raum nebenan tat. Sie saß auf der Sitzgarnitur, hielt ein Glas in der Hand und machte es sich mit einem Buch, das sie aus der kleinen Bibliothek am Ende des Raumes geholt haben musste, gemütlich.
Eric reinigte vorsichtig das Medaillon, eine Substanz nach der anderen kam zum Einsatz. Zwischendurch unterdrückte er den Impuls, die Nummer zu wählen, die ihm Faustitia gegeben hatte, um sich nach Lena zu erkundigen. Er sagte sich selbst, dass es keine gute Idee war, sich von seiner Mission ablenken zu lassen.
Stunde um Stunde verging. Endlich zeichneten sich Erfolge ab. Das war auch gut, denn die Anspannung kehrte zurück. Wie aus weiter Entfernung hörte er die Bestie in sich heulen und schreien. Sie bereitete sich auf ihre nächste Attacke auf ihn vor; sie wollte in dieser Vollmondnacht noch einmal so ausgiebig töten dürfen wie einige Tage zuvor. Obwohl er versuchte, sie zu unterdrücken, war Eric machtlos gegen die Erinnerungsbruchstücke, an der sich die Bestie labte. Er sah das von Furcht verzerrte Gesicht der Putzfrau, die den Schrubberstiel vor sich hielt. Er hatte das Holz so spielend leicht durchgebissen wie ihren Hals, ihr Blut gesoffen und von ihrem Fleisch gekostet. Danach hatte er sich auf einen Gast geworfen, ihn mit dem Stiel von hinten durchbohrt und den Kopf mit seiner Klaue zerschmettert …
»Nein!«, schrie Eric und sprang auf, hastete zu dem Fläschchen und nahm zwei weitere Tropfen ein. Er brauchte diese Bilder nicht. Er wollte sie nicht!
Ich gehöre zu dir. Ich gebe dir Macht, raunte die Bestie. Du bist nichts ohne mich.
Es klopfte, und ein Blick auf den Monitor zeigte ihm, dass Severina vor der Tür stand. Sie hatte die Nase voll vom Warten. Eric griff nach dem Medaillon und öffnete die Tür. Er brauchte unbedingt Ablenkung, bevor ihn die Erinnerungen, die seine und doch nicht seine waren, in den Wahnsinn trieben. »Hier«, sagte er atemlos und zeigte Severina das kleine Metallstück, bevor er sich klar wurde, was er gerade tat. Er zog sie noch tiefer in die Sache hinein, und wieder verstand er nicht genau, weswegen er das tat. »Ich bin vorangekommen.«
»Was ist das?«
»Der Grund für meine Schwierigkeiten.« Er drückte es ihr in die geöffnete Hand.
Sie betrachtete das Fundstück und setzte ihre Brille auf. »Ein Anhänger?«
»Vielleicht finden Sie es heraus.«
Die blauen Augen musterten den Schmuck. »Ein verschnörkeltes Siegel … oder ein Wappen? Jedenfalls zur Hälfte.« Sie betrachtete die andere Seite. »Unwiederbringlich geschmolzen.«
»Das Metall entpuppte sich als Weißgold«, sagte er und ging mühsam an ihr vorbei zur Sitzecke. Seine Beine wurden dank der Tropfen schwer. »Die Einlegearbeiten bestehen aus schwarzem Stein, wahrscheinlich Basalt.«
»Eine merkwürdige Kombination.« Sie rieb mit dem Daumen darüber. »Ist es alt oder neu? Und woher haben Sie das?«
»Der Goldgehalt ist ungewöhnlich hoch. Ich vermute, dass es älter ist. Heutzutage sparen die Menschen mehr. Aber mit Bestimmtheit sagen kann ich es nicht.« Er leerte ihren Drink, auch wenn ihn sein Verstand daran erinnerte, dass die Verbindung von Gamma-Hydroxybuttersäure und Scotch unschöne Folgen haben konnte. »Ich mache ein Foto davon und sende es an einen Freund. Er wird herausfinden, zu wem das Siegel gehört. Wir bleiben hier und warten, bis er etwas herausfindet.« Eric schenkte das Glas beinahe bis zum Rand voll, balancierte es ins Arbeitszimmer und rief Severina zu
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