Sanctum
hielt und den langen Dorn halb drohend in seine Richtung reckte. Dann traf ihn ein Schwall italienischer Worte.
»Sparisci farabutto! Non pensare che non mi possa difendere! Dio ei santi sono con me!«
»Versteht Ihr die französische Sprache, Bruder Matteo?«
»Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber dass Ihr es wagt, am Ort des Herrn eine Waffe mit Euch zu führen, macht Euch in meinen Augen nicht vertrauenswürdiger.« Er wich drei Schritte zurück. »Verlasst diesen Ort auf der Stelle.«
»Was redet Ihr …« Jean merkte, dass sein Gehrock verrutscht war und man den Griff der Pistole erkannte. Verdammt! »Die Äbtissin Gregoria sendet mich zu Euch, Bruder Matteo«, sprach er vorsichtig und beruhigend, ohne sich von der Stelle zu rühren, um dem Priester nicht noch mehr Angst zu machen. »Sie hat sich eine andere Herberge gesucht, weil die erste Unterkunft nicht mehr sicher war. Wir müssen sofort mit Lentolo sprechen.«
»Wieso?«
»Gregoria hat neue Dinge erfahren. Es muss dringend gehandelt werden.« Jean langte vorsichtig auf den Rücken und schob den Rock wieder über den Pistolengriff. »Richtet ihm aus, dass wir Lentolo treffen möchten. Heute Abend, nach Sonnenuntergang, im Innenraum des Kolosseums.«
Bruder Matteo stellte den Kerzenständer ab. »Und Euer Name ist …?«
»Der tut nichts zur Sache. Sie hat mich um meinen Schutz gebeten, und für den werde ich sorgen, falls Gott einmal wegschauen sollte und sie in Schwierigkeiten ist.« Jean konnte es nicht verhindern, der spöttische Nachsatz war einfach aus ihm herausgeplatzt und ließ den braven Mönch zusammenzucken. »Seid Ihr in der Lage, ihre Nachricht zu übermitteln?«
»Ja, das bin ich. Aber jetzt verschwindet von hier, ehe man uns zusammen sieht.« Er deutete auf einen Gang, der von der Kammer abzweigte. »Geht da hinaus, und Ihr gelangt zurück auf den Petersplatz.«
»Lentolo soll allein kommen«, fügte Jean hinzu. »Er wird mich nicht sehen, doch ich werde da sein und ihn über den Lauf meiner Muskete hinweg beobachten. Sollte er sich in einer Art bewegen, die mir nicht gefällt, wird er mit einem lauten Knall zu Gott fahren.« Er ging, ohne sich noch einmal nach dem Mönch umzuschauen.
Als er durch die Tür am Ende des Gangs trat, stand er tatsächlich seitlich des Doms auf einem Ausläufer des weitläufigen Platzes. »Das wäre schon einmal erledigt«, sagte er zu sich selbst. »Und nun weiter.«
Auch wenn Jean Gregoria nicht lange allein lassen wollte, glaubte er sie derzeit recht sicher. Es wurde Zeit, dass er die Spur des Comtes verfolgte, ehe sie abkühlte und nicht mehr aufzufinden war. Jean machte sich auf, um Pietro Girolamo in der Spielhölle zu besuchen.
Wieder benötigte Jean viel länger, als er ursprünglich vorgesehen hatte. Es bedeutete für ihn keinerlei Schwierigkeiten, sich in offenem Gelände oder in dunklen Wäldern zurechtzufinden – es gab immer Zeichen, die weiterhalfen –, aber in einer Stadt wie Rom hatte er Schwierigkeiten. Es würde dauern, bis sich seine Augen umgewöhnt hatten und Kleinigkeiten an den Mauern der Häuser bemerkten.
Endlich, dem Stand der Sonne und den Temperaturen nach ging es auf die Mittagszeit zu, stand er vor der Tür eines nicht schäbigen, aber auch nicht besonders auffälligen Gebäudes mit kleinen Säulen rechts und links vor den Aufgangstreppen. Es befand sich in der Nähe des antiken Kerns von Rom, Jean hatte die Reste der uralten Bauwerke des Forum Romanum gesehen.
Er trat auf die oberste Stufe und zog an der Kette, die aus der Wand hing. Irgendwo im Inneren hörte er das Geräusch einer Schelle. Jean schaute durch das Buntglasfenster und versuchte, etwas im Flur dahinter zu erkennen. Er schellte wieder, dieses Mal kräftiger und anhaltender. Immer noch blieb es ruhig.
Jean hatte in den vergangenen Jahren gelernt, auf sein Gefühl zu vertrauen, und spürte, wenn etwas im Argen lag. Er legte die Hand auf die Klinke und drückte sie nieder – die Tür schwang auf.
Sobald er sich im Haus befand, zog er seine Pistole und horchte auf die Geräusche, die normalerweise in einem Gebäude zu hören waren, das als Spielhölle diente. Dass es totenstill war, bestärkte Jean in seiner Vermutung: Etwas stimmte nicht.
Er schlich vorwärts, durchstreifte die Räume und entdeckte in der Küche die Leiche des Küchenmädchens. Ihr Mörder hatte ihr das Kleid zerfetzt und ihr tiefe Wunden am ganzen Körper zugefügt. Jean kannte diese Art von Verletzungen. Die Behörden würden einen
Weitere Kostenlose Bücher