Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
anzuglotzen. Ich
werde dich schon nicht fressen.«
Hört, hört, dachte
der Carabinieri am Steuer. Ihr Kind hast du doch schon gefressen.
»Schneller!«, brüllte Sciutto hinter ihm.
»Unmöglich!«
»Ich sagte, schneller, sonst fliegt dir der Kopf weg!«
Der Carabinieri spürte die harte Mündung der Waffe an
seinem Schädel. »Ja, ja, schon gut.«
»Halt die Klappe, Weib!« Mit dem Handrücken schlug
Sciutto der wimmernden Frau ins Gesicht. »Pfui, Teufel! Dreh dich weg! Ich will
das nicht sehen!«, schrie er, als ihr Blut aus der Nase spritzte.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, brüllte der Carabinieri,
als er vor ihnen einen Lieferwagen rechts aus einer Einfahrt fahren sah.
Unmöglich, noch auszuweichen. Die Reifen quietschten,
als er das Bremspedal durchdrückte. Ruckelnd setzte das ABS ein.
Der Knall des Aufpralls und des Airbags, das Knirschen
und Krachen des sich verbiegenden Wagens dröhnten ihm in den Ohren, bevor er
das Bewusstsein verlor.
Die Frau schrie, als sie mit dem Kopf erst gegen den
Vordersitz und danach gegen die Seitenscheibe schlug, als der Wagen plötzlich
nach links schleuderte, bevor auch für sie die Welt im Dunkeln versank.
13
In
Deutschland klang Lena einige Stunden später am Mittag dieses Tages das
Rauschen der Ostsee in den Ohren.
Sie fröstelte. Die hohen Fenster aus bunten
Butzenscheiben der Klosterkapelle von Kloster Falzberg schienen sie
anzustarren.
So beständig wie das Pochen eines Herzens, mal lauter,
mal leiser. Das monotone Rauschen der Meeresbrandung der deutschen Ostsee war
wie die Seele des Dorfes Heiligenbrück, Tag und Nacht.
Den gesamten Weg bis zu Kloster Falzberg hatte dieses
Rauschen Lenas Gedanken untermalt, war ihr den Grashügel hinauf über den
mittelalterlichen Friedhof gefolgt und erst nahe der Klosterkapelle verstummt.
David war der Hausmeister des Klosters.
»Besuch mich dort, Lena.« Er hatte gelächelt.
Also, warum eigentlich nicht?
Sie ließ ihren Blick über die bröckelnden dunklen
Mauern der Klosterkapelle schweifen. Hinter der Kapelle lag das Kloster,
umgeben von der hohen Außenmauer.
Sie fröstelte erneut.
Sie wollte nicht hier sein.
Sonst war es nicht so. Kirchen waren für sie ein Ort
der Besinnung, der Stille, etwas, das sie mochte, wo sie ihrer verstorbenen
Mutter eine Kerze widmen konnte und sich eigentlich wohlfühlte. Eigentlich.
Sie tastete nach ihrer Dienstpistole. Lächerlich,
sie mitzunehmen.
Als Kind war sie einige Male in Kloster Falzberg
gewesen.
Wenn sie jetzt nach rechts an der Klostermauer neben
der Kapelle entlangginge und nach links um die Ecke böge, käme sie zum
Haupteingang.
Der Mittelpunkt des Klosters war ein Klostergarten, in
dem es jetzt im Frühling nach Flieder roch.
Umgeben war der Garten von Säulengängen mit Reihen von
Türen, die zu Wohn- und Aufenthaltsräumen oder Klassenzimmern führten. Vor gut
zwanzig Jahren war in dem bis dahin leer stehenden Kloster ein Internat für
Jungen eingerichtet worden.
Lena horchte. Dafür, dass hier laut Magda vierzig
Schüler, sechs Ordensbrüder und zwei weltliche Lehrer lebten, war es
außergewöhnlich still.
Sie ging zu der Eichentür links auf der kurzen Seite
der Kapelle. Eine Spinne krabbelte über das feuchte Holz.
Was ist los mit dir? Geh rein.
Das Quietschen, als sie die Tür öffnete, hallte von
der Kuppeldecke der Kapelle wieder.
Wie ein schweres Parfüm hing der Geruch von Weihrauch
in der Luft, und das Licht, das durch die bunten Fenster fiel, tauchte den
kühlen, mit klobigen Holzbänken bestückten Raum in facettenreiches Licht.
Hier und jetzt war sie mit David verabredet.
Der Mann, der vor dem steinernen Altar stand, jung,
schlaksig, in Jeans und T-Shirt, starrte sie an. »Was machen Sie hier? Die
Kapelle ist für Besucher nicht geöffnet. Die Eingangstür sollte abgeschlossen
sein.«
»Lena gehört zu mir, Josua.«
Das Gesicht verschmutzt, schlabbrige Jeans, die oberen
Knöpfe des grauen Hemdes geöffnet, so kam David links aus einer Tür.
Lena spürte ein Kribbeln, als er neben sie trat und einen
Arm um ihre Hüfte legte.
»Ich will Lena nur die Kapelle zeigen, Josua.«
»Sie wollten in einem der Klassenräume ein Fenster
reparieren, David.« Josuas Stimme hatte etwas Herrisches.
Zögerlich ließ David Lena los. »Warten Sie ein paar
Minuten, Lena. Es dauert nicht lange.« Er lächelte aufmunternd. »Am
Fenstergriff sind nur ein paar Schrauben anzuziehen.«
Doch es dauerte lange.
Es dauerte ewig.
Langeweile war für Lena
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