Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
dahinter.
Marisa hob Jan Herzogs Pistole auf und holte ihre
Dienstpistole und ihr Handy aus seiner Jackentasche.
Antonelli nahm ihr das Handy aus der Hand und wählte eine
Nummer. »Ispettore Antonelli hier. Einen Rettungswagen zur Viale Cortina d'Ampezzo …«
Marisa musste sich zurückhalten, um Jan Herzog nicht ins
Gesicht zu schlagen. »Machen Sie den Mund auf! Wer ist Ihr Komplize? Und was
hat er vor?«
Jan Herzog lächelte. »Sie kommen zu spät. Er wird es
tun.«
»Während der Heiligen Messe?«
»Ich sage nichts mehr.«
Marisas Blick glitt zu Josua, der sich die blutende Schulter
haltend neben der Leiche des Psychiaters auf dem Boden saß. »Geht es
tatsächlich um den Papst?«
Josua blickte auf den Boden. »Niemand sollte erfahren, welche
Schuld er auf sich geladen hat. Ein Kirchenskandal ohnegleichen. Jerome und …
Wir haben alles getan, um zu verhindern, dass es jemand erfährt.«
»Das ist absurd. Sie wissen, dass das absurd ist.«
»Er hat Marie getötet, glauben Sie mir.«
»Gibt es noch etwas, mit dem Sie mir helfen können?«
»Nein. Bitte glauben Sie mir, ich …«
Marisa stand auf, ging zu einem Waschbecken in der Ecke und
wusch sich das Blut vom Gesicht.
Ihr Spiegelbild in dem halbblinden Spiegel ließ eine
Platzwunde und ein rotblau unterlaufenes Hämatom auf ihrer Stirn erkennen.
Sie blickte Antonelli an. »Check den Computer des
Psychiaters, Christian. Wenn du etwas herausfindest, ruf mich an.« Dann lief
sie aus dem Raum.
Sie fühlte ihre Hände zittern, als sie auf der Viale
Cortina d'Ampezzo den Motor des schwarzen Lancia Delta anwarf, mit dem sie
gekommen war. Sie nahm das Blaulicht aus dem Handschuhfach und setzte es durch
das Fenster an der Fahrerseite aufs Dach.
»Wo bist du, Marisa?«,
drang Carlo Bariellos Stimme aus der Freisprechanlage, nachdem sie seine
Handynummer gewählt hatte.
»Der Papst selbst ist das Ziel, Carlo. Hat die Messe bereits
begonnen?«
»Ich bin im Petersdom. Die Kardinäle ziehen gerade ein und
die Presse ist versammelt.«
»Du musst das sofort stoppen, Carlo.«
»Ich kann es nicht stoppen. Kardinalstaatssekretär Rodriguez
hat das untersagt. Wir hätten kein Recht, uns so tief in die Belange des
Vatikans einzumischen.« Er stockte. »Und jetzt verstehe ich auch, warum.« Seine
Stimme hatte plötzlich einen eigenartigen Klang.
»Bitte?«
»Er ist nicht da, Marisa. Der Heilige Vater ist nicht
anwesend. Kardinal Rodriguez führt die Kardinäle in den Dom, nicht der Papst.«
»Dann hat er ihn, Carlo. Dann ist er in den Händen des
Mannes, dessen Identität wir nicht kennen, und vielleicht ist er bereits tot.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Bariellos Stimme wieder
erklang. »Kardinal James William O'Neill
ist auch verschwunden, Marisa, bereits seit längerer Zeit. Er hat einen
Abschiedsbrief hinterlassen.«
37
Ich heiße diese Kirche den einen großen Fluch, die
eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem
kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist.
Ein
Zitat von Friedrich Wilhelm Nietzsche, allerdings abgewandelt. Denn im Original
hieß es »das Christentum«, nicht »diese Kirche«.
Ein Zitat, das in Kardinal James William O'Neills Kopf
hämmerte, weil er nicht vermeiden konnte, es anzusehen.
Es lag direkt vor ihm, in großer schwarzer Schrift auf
ein weißes Blatt Papier geschrieben, auf dem massiven Eichentisch liegend, an
dem er zu sitzen gezwungen war, an einen Stuhl gefesselt und den Mund
geknebelt.
Die Sonne draußen fand keinen Weg zu ihm.
Der kleine Raum in dieser Wohnung im Vatikan war durch
die goldenen Brokatvorhänge links am Fenster abgedunkelt. Rechts und hinter
O'Neill standen Bücherregale und vor ihm nur der Eichentisch.
Durch die einen Spalt offene Tür vor dem Tisch mogelte
sich ein Lichtstrahl in den Raum. Ein Raum wie ein Stachel im Fleisch des
Vatikans, ausgerechnet in der Wohnung des Mannes, dem er zutiefst vertraut
hatte.
Das bis zur Decke hochgebaute Regal rechts war voller
Bücher mit Schriften von Religions- und Kirchenkritikern der Vergangenheit und
Gegenwart, welche nicht die Gewalt, stattdessen das Wort gewählt hatten, um
gegen die Kirche vorzugehen.
Für O'Neill war es etwas Vertrautes.
Als Mitglied der Kongregation für die Glaubenslehre
kannte er die meisten von ihnen, die Schriften von Voltaire, Ludwig Feuerbach, Friedrich Wilhelm Nietzsche, Karl Marx, Karl-Heinz
Deschner und anderen Kirchenkritikern, Autoren, Theologen,
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