Sanctus
die Schulter blicken, denn sie werden sie foltern. Sie werden sie foltern, herausfinden, mit wem sie gesprochen hat, und dann werden sie sie töten und uns jagen. Ich möchte mich nicht den Rest meines Lebens verstecken. Wir müssen das beenden ... Jetzt!«
Kathryn schaute ihn mit ihren dunklen Augen an. »Zuerst haben sie dir deinen Vater genommen«, sagte sie, »und jetzt mir den meinen.« Sie legte Gabriel die Hand auf die Wange. »Ich kann nicht zulassen, dass sie mir auch noch dich wegnehmen.«
»Das werden sie nicht«, sagte Gabriel und wischte ihr mit dem Daumen eine Träne von der Wange. »Das ist keine Selbstmordaktion. Nach Dads Tod bin ich Soldat geworden, damit ich sie auf andere Art bekämpfen kann. Akademische Diskussionen ändern gar nichts, und Proteste vor Kathedralen reißen nicht deren Wände ein.« Er schaute in den Laderaum. »Aber wir werden das schaffen.«
Kathryn betrachtete ihn. Sie sah seinen Vater dort stehen. Und seinen Großvater. Und sie sah auch sich selbst. Sie wusste, dass es keinen Sinn machte, mit ihm zu diskutieren. Außerdem hatten sie ohnehin keine Zeit dafür.
»Also gut«, sagte sie. »Ans Werk.«
Gabriel beugte sich vor und küsste sie sanft auf die Stirn. »Okay«, sagte er und holte die schwarze Leinentasche aus dem Laderaum. »Du musst Folgendes tun ...«
K APITEL 129
Der Sanctus-Wächter ließ die Frau neben der Schmiede auf den Boden gleiten, griff dann nach oben und nahm einen dünnen Metallstab von der Wand. Den steckte er ins Feuer; dann betätigte er den Blasebalg und füllte den Raum mit dem rhythmischen Brüllen des Feuers. Das Schmiedefeuer glühte immer heller und warf ein gelbes Licht auf die Schleifsteine davor. Der Abt trat zu dem am nächsten stehenden Stein, schüttelte sich die Soutane von den Schultern und ließ sie fallen. Cornelius betrachtete das Narbennetz auf seinem Körper.
»Bist du bereit, das Wissen des Sakraments zu empfangen?«, fragte der Abt. Cornelius nickte. »Dann tu, was ich tue.«
Der Abt zog den Zeremoniendolch aus seinem Holzkreuz und trat auf ein Pedal, sodass der Schleifstein sich drehte; dann schärfte er die Klinge. Cornelius zog ebenfalls die Soutane aus und spürte die Hitze des Feuers auf seiner Haut.
»Bevor du die Kapelle betrittst«, sagte der Abt, »musst du die heiligen Zeichen unseres Ordens empfangen. Diese Zeichen, in dein Fleisch geschnitten, erinnern uns an unser Versagen, denn wir haben das Versprechen nicht erfüllt, das unsere Vorfahren Gott gegeben haben.« Er nahm die Klinge vom Stein und hielt sie ins Licht. »Doch dank deiner Mühen wird sich das heute Nacht ändern.«
Er drehte sich zu Cornelius um und legte den Dolch an die dicke Narbe auf dessen Brust. »Das erste Zeichen«, sagte er, stieß sich selbst den Dolch ins Fleisch und zog ihn bis zum Bauch hinunter. »Dieses Blut verbindet uns im Schmerz mit dem Sakrament. So wie es leidet, so müssen auch wir leiden, bis alles Leiden endet.«
Cornelius beobachtete, wie die Klinge die Narbe durchschnitt, bis Blut über den Körper des Abts und auf den Boden floss. Er hob seinen eigenen Dolch, stieß ihn sich ins Fleisch und zog ihn hinunter. Er ignorierte den Schmerz und zwang seine Hand, ihm zu gehorchen, bis der erste Schnitt vollbracht war, und auch sein Blut floss. Der Abt hob den Dolch erneut und machte den zweiten Schnitt, angefangen an der linken Schulter. Cornelius tat es ihm nach. Pflichtbewusst imitierte er jeden Schnitt, den der Abt sich selbst beibrachte, bis sein Körper all die Zeichen der Bruderschaft aufwies, der er nun angehörte.
Der Abt machte den letzten Schnitt, hob die blutige Klinge an die Stirn, zog sie nach oben und dann noch einmal quer, sodass ein verschmiertes rotes Tau entstand. Auch das machte Cornelius ihm nach. Dabei erinnerte er sich an Johann, und Tränen traten ihm in die Augen. Johann war einen rechtschaffenen Tod gestorben, damit er die Mission erfolgreich zu Ende bringen konnte. Nur aufgrund von Johanns Opfer wurde er nun mit dem heiligen Wissen um das Sakrament gesegnet. Cornelius beobachtete, wie der Abt den Dolch wieder ins Kreuz steckte und zur Schmiede ging. Er nahm den Metallstab aus der Glut und trug ihn zu Cornelius.
»Sorge dich nicht, Bruder«, sagte der Abt, der die Tränen missverstand. »All deine Wunden werden bald verheilt sein.«
Er hob das glühende Eisen, und Cornelius spürte, wie sich die Hitze seinem Oberarm näherte. Er wandte sich ab und erinnerte sich an die Explosion, die ihn schon einmal
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