Sanctus
spät«, sagte er.
»Nein«, meldete sich eine rasselnde Stimme. Kathryn hob den Kopf und schaute Arkadian in die Augen. »Die Kerne, die der Mönch geschluckt hat! Sorgen Sie dafür, dass sie in Sicherheit gebracht werden«, sagte sie. Arkadian runzelte die Stirn. Davon sollte eigentlich niemand etwas wissen. »Wir glauben, dass sie das Sakrament sein könnten«, erklärte Kathryn.
Arkadian schüttelte den Kopf. »Aber das sind doch nur ganz einfache Apfelkerne«, sagte er. »Wir haben sie untersucht.«
Ein bedrückendes Schweigen folgte auf diese Worte. Mehrere Sekunden lang waren alle drei wie erstarrt. Gabriel und Kathryn versuchten, diese neue Information mit dem in Einklang zu bringen, was sie bereits wussten. Dann beugte Gabriel sich vor, küsste seine Mutter auf den Kopf und stand auf.
»Wenn es nicht die Kerne sind«, sagte er und ging an Arkadian vorbei ins Büro, »dann ist es die Frau. Sie ist der Schlüssel zu allem. Das war sie immer schon. Und ich werde sie wieder zurückholen.« Er hob seine Tasche vom Boden auf und stellte sie auf den Tisch.
»Überlassen Sie das mir«, sagte Arkadian und schaute wieder auf sein Telefon, das erneut ein schwaches Signal empfing. Er drückte auf die Wahlwiederholung. »Wenn Sie entführt und in die Zitadelle gebracht worden ist, dann können sie das nicht einfach leugnen. Wir können sie politisch unter Druck setzen und sie zwingen, mit uns zu kooperieren.«
»Sie werden alles leugnen«, sagte Gabriel und griff in seine Tasche. »Außerdem dauert das alles viel zu lange. Die Frau wird tot sein, bevor die Politiker sich überhaupt erst eingeschaltet haben. Sie haben doch gesagt, der Wagen habe sich bewegt, als Sie mit der Zentrale gesprochen haben, stimmt’s? Das heißt, sie haben nur gut zwanzig Minuten Vorsprung. Wir müssen so schnell wie möglich dorthin und sie rausholen.«
»Und wie sollen wir das bewerkstelligen?«
Gabriel wirbelte herum, und Arkadian spürte einen Stich im Arm. » Wir bewerkstelligen gar nichts«, sagte Gabriel.
Arkadian schaute nach unten und sah eine Spritze in seinem Arm stecken. Entsetzt riss er die Augen auf, taumelte zurück und versuchte, die Spritze rauszureißen. Sein Arm fühlte sich schon schwer an. Er prallte gegen die Wand, und seine Beine gaben nach. Gabriel fing ihn auf und ließ ihn vorsichtig zu Boden gleiten. Arkadian wollte etwas sagen, doch seine Zunge gehorchte ihm nicht mehr.
»Tut mir leid«, sagte Gabriel.
Das Letzte, woran Arkadian sich erinnerte, war, dass seine Schusswunde plötzlich nicht mehr schmerzte.
K APITEL 127
Cornelius war noch nie in diesem Teil des Bergs gewesen. Die steinerne Wendeltreppe war uralt, schmal und verstaubt. Der Wächter ging voraus. Seine Fackel warf ein orangefarbenes Licht auf die rauen Wände und die Frau, die er sich über die Schulter gelegt hatte wie ein erlegtes Reh. Cornelius hörte keine Stimmen und auch sonst nichts, was auf Aktivität in der Ferne schließen ließ, wie es in anderen Bereichen des Bergs der Fall war. Das Einzige, was die Stille störte, waren die Geräusche ihres eigenen Atmens und der stete Schritt ihrer Füße, die immer weiter nach oben stiegen.
Sie brauchten fast zwanzig Minuten, um die Spitze zu erreichen, und als sie die kleine Höhle am Ende ihres Aufstiegs betraten, war Cornelius’ neue grüne Soutane durchgeschwitzt. Kerzen an der Wand spendeten gerade genug Licht, um zu erkennen, dass mehrere enge, grobe Tunnel aus der Kammer führten. Ein schwaches Licht flackerte am Ende des mittleren Tunnels, und der Sanctus-Wächter hielt darauf zu. Sein Schritt war noch immer fest, obwohl er die Frau fast den ganzen Berg hinaufgetragen hatte. Cornelius folgte ihm, dann kam der Abt. Cornelius musste sich bücken, als er den Tunnel betrat. Der Gang war Tausende von Jahren alt, und damals waren die Menschen nicht größer gewesen als das Gras auf der Ebene unterhalb des Bergs. Mit gesenktem Kopf ging Cornelius weiter – eine Haltung, die ihm angesichts dessen, was vor ihm lag, irgendwie angemessen erschien. Es war die Capella Celatum Dei , die Kapelle von Gottes Heiligem Geheimnis, der Ort, an dem das Sakrament aufbewahrt wurde.
Als sie näher kamen, wurde das Licht am Ende des Tunnels stärker. Nun konnte man erkennen, dass die Wände des Gangs keineswegs so grob behauen waren, wie Cornelius anfangs gedacht hatte; stattdessen waren sie mit Hunderten von Symbolen verziert. Einige der Bilder erkannte Cornelius im Vorbeigehen: eine Schlange, die sich um
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