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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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Seite war ziemlich akademisch und bestand aus dicht geschriebenem, trockenem Text, nur hier und da von einem netten Foto einer blutenden Hand oder eines blutenden Fußes unterbrochen; doch auch hier fand er nichts, was den Narben des Mönchs entsprochen hätte.
    Arkadian nahm die Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. Er wusste, dass er sich seinen anderen Fällen hätte zuwenden sollen, solange sich weder die Zitadelle noch die Amerikanerin gemeldet hatten, aber der Fall ging ihm schon jetzt unter die Haut: das öffentliche Martyrium, die rituellen Narben, die Tatsache, dass der Mönch offiziell scheinbar nicht existierte ...
    Arkadian schloss das Suchfenster und verbrachte die nächsten zwanzig Minuten damit, die wenigen Fakten aufzuschreiben, die er bis jetzt gesammelt hatte. Als er damit fertig war, las er seine Notizen noch einmal durch und klickte sich schließlich wieder durch die Obduktionsfotos, bis er das Gesuchte gefunden hatte.
    Arkadian schaute sich noch einmal das dünne Lederband in der Nierenschale an. Dank Blitzlicht waren die zwölf Zahlen deutlich zu sehen. Arkadian speicherte sie in seinem Handy, schloss die Datei, schnappte sich sein Jackett vom Stuhl und machte sich auf den Weg zur Tür. Er brauchte frische Luft und was zu essen. Das Denken war ihm schon immer leichter gefallen, wenn er sich bewegte.
    *
    Zwei Stockwerke tiefer, in einem Büro, das bis oben hin mit Aktenkisten vollgestopft war, tippte eine blasse, fleckige Hand einen gehackten Sicherheitscode in den Computer des Archivars, der erst in ein paar Stunden wieder ins Büro kommen würde.
    Nach einer kurzen Pause erwachte der Monitor zum Leben und tauchte das dunkle Büro in ein kaltes Licht. Der Cursor wanderte über den Bildschirm, fand das Server-Icon und klickte darauf. Ein Finger glitt über das Mausrad und scrollte das Verzeichnis herunter, bis sein Besitzer fand, wonach er suchte. Der Mann griff unter den Tisch und steckte einen jungfräulichen USB-Stick in den Tower. Auf dem Desktop erschien ein neues Icon. Der Mann zog die Datei mit den Daten zum Selbstmord des Mönchs auf das neue Icon, und der Inhalt wurde kopiert: der Autopsiebericht, die Fotos, der Audiokommentar und Arkadians Notizen.
    Alles.

K APITEL 32
    Liv Adamsen lehnte sich an den Stamm der einsamen Pinie, die vor dem Krankenhaus auf dem Rasen stand. Sie legte den Kopf zurück und blies erleichtert den Zigarettenrauch ins Geäst. Durch das Blätterdach konnte sie das große, erleuchtete Kreuz auf dem Krankenhausdach erkennen. Eine der Leuchtröhren war defekt und flackerte, und ihr Licht spiegelte sich auf irgendetwas an der Rinde über Livs Kopf. Liv griff nach oben und berührte es vorsichtig. Es klebte und roch nach Wald: Harz, jede Menge davon, zu viel, als dass es noch gesund gewesen wäre.
    Liv stellte sich auf die Zehenspitzen und suchte nach der Quelle. Sie fand eine Reihe von Dellen und Kerben in der Rinde. Das sah nach Baumkrebs aus, einer Krankheit, die typisch für diese Art Baum war, ohne Zweifel entstanden nach einem langen, trockenen und eisigen Winter. Liv hatte das Gleiche schon bei einem Baum in Bonnies und Myrons Garten bemerkt. Die immer wärmeren Sommer trockneten die Erde aus und schwächten die Wurzeln. Während der Kälteperioden verbreitete sich dann dieser Krebs selbst in den stärksten Bäumen. Wenn man die Krankheit früh genug bemerkte, konnte man den Baum noch heilen, doch bei diesem hier war es schon zu spät.
    Sanft legte Liv die Hand auf den Baum, nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, und der Harzgeruch an ihren Fingern mischte sich mit dem Rauch.
    Sie schaute zum Parkplatz. Sie war noch immer allein, und tatsächlich machte ihr das Angst, obwohl nicht der geringste Grund dafür bestand. Sie schrieb das ihrem fragilen Gemütszustand zu, und dann war sie gerade auch noch Zeuge einer ›natürlichen‹ Geburt geworden, die damit geendet hatte, dass Pfleger und Ärzte die werdende Mutter auf die Intensivstation gekarrt hatten. Wenigstens waren beide Babys, ein Junge und ein Mädchen, wohlauf. Das war zwar nicht die Story, weswegen Liv hierhergekommen war, aber das würde auch gehen. Immerhin war es dramatisch. Liv erinnerte sich an den Augenblick, als sie den Notfallknopf gedrückt hatte ...
    ... und dann erinnerte sie sich an den Anruf.
    Liv hatte ihr Handy schon seit ein paar Jahren. Es war so alt, dass sie kaum noch eine SMS schreiben konnte, von Fotografieren oder im Internet surfen ganz zu schweigen. Nur wenige Leute

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