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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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womit sie Geld verdienen konnten. Schließlich waren die Babys unterwegs, und die galt es zu versorgen. Dabei sind sie zwar regelmäßig zum Arzt gegangen, aber ich nehme an, damals hat man nicht viel mehr gemacht, als den Blutdruck der Mutter zu messen und den Herzschlag der Babys abzuhören. Ultraschalluntersuchungen wurden jedenfalls keine gemacht. Mom und Dad hatten keine Ahnung, dass etwas nicht stimmte ... bis es zu spät war.
    Das ›Krankenhaus‹, in dem ich geboren worden bin, war eine Poliklinik am Stadtrand. Als ich wieder zurückgekommen bin, stand sie im Schatten eines riesigen Wal-Mart, der ohne Zweifel für die leer stehenden Geschäfte an der Hauptstraße verantwortlich war. Die Klinik war eine jener typischen Landkliniken, deren Aufgabe darin besteht, Leute zusammenzuflicken, ihnen eine Flasche Aspirin in die Hand zu drücken oder sie an ein echtes Krankenhaus zu überweisen. Als ich sie gefunden habe, war alles ziemlich rudimentär; Gott weiß, wie das ausgesehen haben mag, als Mom und Dad dort gewesen sind.
    Ich habe mit der Schwester an der Rezeption gesprochen und ihr erklärt, wonach ich gesucht habe. Sie hat mich in einen Lagerraum voller Patientenakten geführt. Es war ein einziges Chaos. Ich habe eine ganze Stunde gebraucht, um eine Kiste aus dem richtigen Jahr zu finden. Die Dokumente da drin waren ebenfalls vollkommen durcheinander. Ich bin die Geburtsurkunden durchgegangen. Meine war nicht dabei; also habe ich mir die Namen von allen Mitarbeitern damals herausgeschrieben und die Rezeptionistin davon überzeugt, den Kontakt zu einer davon herzustellen, einer Krankenschwester – Mrs. Kintner. Sie war schon ein paar Jahre im Ruhestand, lebte aber noch immer in der Stadt. Ich bin zu ihr gefahren. Wir saßen auf ihrer Terrasse und haben Limonade getrunken. Sie erinnerte sich an meine Mutter. Sie sagte, sie sei sehr schön gewesen. Und sie sagte, dass sie zwei Tage lang gekämpft hatte, um uns auf die Welt zu bringen. Sie haben das Problem erst erkannt, als sie uns ›an die Sonne geholt‹ haben, wie die alte Frau sich ausgedrückt hat, und zwar per Notoperation, mit einem Kaiserschnitt.«
    Liv stand langsam auf.
    »Ich bin als Sam Newton geboren«, sagte sie mit leiser Stimme. »Mein Bruder bekam den Namen Samuel. Wir sind zur selben Zeit geboren und haben dieselben Eltern. Wir sind Zwillinge.« Sie drehte sich nach rechts und hob ihr Hemd ein Stück. »Aber keine gewöhnlichen Zwillinge.«
    Arkadian sah eine weiße Narbe auf ihrer bleichen Haut. Ein auf der Seite liegendes Kruzifix. Es war mit demjenigen identisch, das sie an der Leiche des Mönchs gefunden hatten.
    »Von Brüdern und Schwestern sagt man häufig, sie seien eins. Bei uns war das im wörtlichen Sinn der Fall. Wir waren an den unteren drei Rippen zusammengewachsen, also das, was man in den Boulevardzeitungen ›Siamesische Zwillinge‹ nennt. Manchmal teilen sich solche Kinder auch ein oder mehrere Organe, wir jedoch nur die Knochen.«
    Liv zog ihr Hemd wieder herunter und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.
    »Schwester Kintner sagte, das habe einen ziemlichen Aufruhr verursacht. Es hatte noch nie so einen Fall in der kleinen Klinik gegeben; also waren die Ärzte richtig aufgeregt. Dann, als es erst meiner Mutter und dann auch uns schlechter ging, sind sie in Panik geraten. Meine Mutter hatte so viel Blut bei der Geburt verloren und so schwere innere Verletzungen erlitten, dass sie nie wieder das Bewusstsein zurückerlangt hat. Ich nehme an, da haben sie gemerkt, dass sie, das Krankenhaus, zumindest teilweise dafür verantwortlich waren, und so haben sie versucht, die Sache zu vertuschen. Meine Mutter ist acht Tage nach unserer Geburt gestorben ... am selben Tag, als Samuel und ich chirurgisch voneinander getrennt worden sind. Erst da haben sie bemerkt, dass nur eine Geburtsurkunde ausgestellt worden war. Rasch haben sie eine neue für mich ausgefertigt und das Trennungsdatum als meinen Geburtstag eingetragen. Technisch gesehen war das wohl auch der Tag, an dem ich zu einem Individuum geworden bin. Es war die Idee meines Vaters, mich im Andenken an meine Mutter umzubenennen. So bekam ich einen neuen Namen. Der Mädchenname meiner Mutter lautete Liv Adamsen. Es war der Name des Mädchens, in das er sich verliebt hatte. Deshalb wollte er nie darüber reden.«
    Arkadian nahm diese neue Information auf. Er glich sie mit dem ab, was er bereits wusste, und suchte nach neuen Fragen, die noch nicht beantwortet waren. »Wie kommt es

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