Sanctus
Frau sein strahlendes 500-Watt-Lächeln.
Nachdem er sie so eine Sekunde lang angestrahlt hatte, atmete sie tief durch, und ihr Blick nahm einen sanften Ausdruck an. »Sie meinen Dr. Meachin «, sagte sie. »Soll ich dafür unterschreiben?«
»Nein, nein, das ist schon okay«, sagte Gabriel. »Der Mann, der mich hergeschickt hat, hat schon dafür unterschrieben.«
Er schlüpfte in den Gang zurück. Überall wimmelte es von Leuten. Gabriel hörte jemanden im Empfangsbereich brüllen. Er ging auf direktem Weg zur Laderampe. Hinter dem Gebäude war kein Mensch. Am anderen Ende der Gasse bog gerade ein Krankenwagen in den Morgenverkehr auf dem Halleluja-Ring ein.
Gabriel sprang von der Plattform und rannte zu seinem Motorrad, das er hinter einem großen Mülleimer versteckt hatte. Er startete den Motor, raste die Gasse hoch und bremste hart. Der Halleluja-Ring war eine Einbahnstraße und um diese Zeit stets brechend voll. Gabriel schaute nach links. Er konnte den Krankenwagen nicht mehr sehen. Er schlängelte sich zwischen den Autos hindurch und suchte den Verkehr vor sich ab. Die Straße schlängelte sich vor ihm, bis sie auf den Süd-Boulevard traf und sich gabelte. Rechts ging es in die Außenbezirke, links zur Zitadelle. Gabriel vermutete links, doch erst einmal fuhr er geradeaus, jederzeit bereit, die Richtung zu wechseln, sobald er sein Ziel sah.
Dann trat Gabriel plötzlich so hart auf die Bremse, dass das Hinterrad ausbrach. Ein Van konnte ihm gerade noch rechtzeitig ausweichen. Wütend drückte der Fahrer auf die Hupe und stieß wilde Flüche aus. Gabriel bemerkte das jedoch nicht einmal. Er schaute den Boulevard hinauf. Irgendwo zwischen der Gasse und dieser Kreuzung war der Krankenwagen einfach verschwunden.
K APITEL 66
Reis überflog gerade ein Blatt Papier, als Arkadian das Büro betrat.
»Fehlt etwas?«
»Nein.« Reis blieb hinter dem Schreibtisch sitzen. »Ich dachte, die hätten das vielleicht genommen – das ist der Laborbericht, von dem ich Ihnen erzählt habe –, aber offenbar wussten sie nicht, was das ist. Das ist ... ungewöhnlich.«
Reis schaute dem Inspektor über die Schulter, und Überraschung zeigte sich auf seinem Gesicht. Liv stand hinter Arkadian in der Tür.
Arkadian seufzte. »Reis, das ist Liv Adamsen. Sie ist ... sie ist die Schwester des Mönchs.«
»Jaja, ich ... äh ... Hi ...« Reis verzog den Mund zu einem nervösen Lächeln. »Tut mir leid, dass ... äh ...« Im Geiste ging er alle möglichen unpassenden Bemerkungen in dieser Situation durch.
»Dass Sie die Leiche meines Bruders verloren haben?«, schlug Liv vor.
»Ja ... äh ... Das auch ...«, sagte er. »Das ist uns noch nie passiert.«
»Das ist ja beruhigend.«
Reis errötete und ruinierte damit seine kultivierte Blässe. »Nein, ich ... äh ... nein ...« Er beschloss, lieber den Mund zu halten.
Arkadian rieb sich den Nasenrücken. »Miss Adamsen ...« Er fixierte sie mit einem Blick, von dem er hoffte, dass er genügend Autorität ausstrahlte. »Ich weiß, dass Sie wütend sind, und Sie haben auch alles Recht dazu, aber jeder Beamte ist schon auf den Beinen und sucht nach diesem Krankenwagen. Wir werden Ihren Bruder wieder zurückholen. Ich hätte Sie gar nicht erst hier runterlassen dürfen, und jetzt, da es ein Tatort ist, können Sie auch nicht hier bleiben. Ich möchte, dass Sie wieder zum Empfang raufgehen und warten, bis wir das Areal gesichert haben.«
Liv hielt seinem Blick stand. »Nein.«
»Das war keine Bitte.«
Demonstrativ betrat Liv das Büro und setzte sich Reis gegenüber. »Lassen Sie mich Ihnen erklären, warum ich bleibe. In den letzten vierundzwanzig Stunden habe ich herausgefunden, dass mein Bruder, den ich schon für tot gehalten habe, tatsächlich gestorben ist. Ich bin mehrere tausend Meilen in unbequemen Flugzeugen gereist, um ihn hier zu identifizieren. Ich bin entführt worden; man hat auf mich geschossen, und dann – als ich schon dachte, ich hätte ihn gefunden – haben Sie ihn verloren.«
Sie ließ ihre Worte wirken.
»Ich weiß, wie man sich an einem Tatort verhält«, fuhr sie schließlich fort. »Den hier kann ich nicht mehr kontaminieren, denn ich war schon da. Also können Sie mich genauso gut hierbehalten und glücklich machen. Außerdem«, sie nahm eine zerknitterte Zeitung vom Schreibtisch und wedelte damit herum, »wenn Sie versuchen, mich von hier zu vertreiben, werde ich als Erstes meinen Chefredakteur anrufen. Glauben Sie, er gibt mir die
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