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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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schwieg. In seinem alten Leben bedeutete ›nicht in der Stadt‹, dass man im Knast gesessen hatte.
    »Und wo bist du jetzt, Mann?«
    »In Queens. Ich hab da so ein paar Ideen. Du weißt ja, wie das ist. Connections wären da nicht schlecht.«
    »Ach ja?« JJs Stimme nahm einen misstrauischen Tonfall an. »Was brauchst du?«
    Rodriguez dachte an das, was er auf dem Flug gelesen hatte: Berichte aus erster Hand über die heiligen Flammen der Inquisition. »Könntest du mir auch was Spezielles besorgen?«
    »Ich kann dir besorgen, was du willst, solange du die Kohle dafür hast.«
    Rodriguez lächelte. »Ja«, sagte er und ging durch die Drehtür und in die kalte Morgenluft von New York hinaus. »Ich hab jede Menge Kohle.«

K APITEL 85
    Das Messingschild an der Wand wies das Gebäude als die Redaktion von Itaat Eden Kimse aus. Der Taxifahrer kurbelte das Fenster herunter, und Liv gab ihm ihr Handy. »Ich schicke gleich jemanden runter«, sagte sie.
    Liv wurde von der ältesten Rezeptionistin der Welt in die Redaktion für internationale Nachrichten im ersten Stock geführt. Kaum hatte sie das Großraumbüro betreten, da fühlte sie sich schon wie zu Hause. Egal wo auf der Welt, Zeitungsredaktionen sahen stets gleich aus. Dabei erstaunte es Liv immer wieder, wie all die Errungenschaften des modernen Journalismus, all die Pulitzer-Preis-Storys und all die Kolumnen, die die Mächtigen ins Schwitzen brachten, in so einer uninspirierenden Umgebung entstehen konnten.
    Liv ließ ihren Blick über die Schreibtische schweifen, bis er an der energischen Frau mit 40er-Jahre-Frisur und perfektem Lippenstift hängen blieb, die auf sie zukam. Die Frau schien vor Energie geradezu zu platzen. Es hätte Liv nicht gewundert, wenn sie plötzlich zu singen oder zu tanzen begonnen hätte.
    »Miss Adamsen?« Die Hand der Frau schoss förmlich nach vorne.
    Fasziniert nickte Liv und streckte ebenfalls die Hand aus.
    »Ich bin Ahla«, sagte die Erscheinung, nahm die Hand, schüttelte sie und ließ sie wieder los. »Ich bin hier die Bürovorsteherin.« Ihre Stimme war überraschend tief und guttural, was in krassem Gegensatz zu ihrem puppenhaften Äußeren stand. »Ich wollte mir gerade das Okay holen, Ihnen Geld auszuzahlen«, fügte sie hinzu, machte auf dem Absatz kehrt und ging durchs Büro voran.
    »Oh«, sagte Liv. »Fast hätte ich’s vergessen. Da unten wartet ein Taxifahrer mit meinem Handy als Geisel. Können Sie es bitte für mich retten? Ich habe keinen Cent mehr in der Tasche.«
    Die Frau schürzte die perfekten Lippen. »Kein Problem«, sagte sie auf eine Art, die genau das Gegenteil besagte. »Heute können Sie erst einmal den dort benutzen.« Die manikürte Hand deutete auf einen ungenutzten Schreibtisch. »Aber wenn Sie ihn länger brauchen, werden Sie ihn sich teilen müssen. Im Augenblick ist die ganze Stadt voll mit Leuten, die die Zitadellenstory haben wollen. Sie auch?«
    »Ich? Äh ... nein«, antwortete Liv. »Ich schreibe an einem Reisebericht.«
    »Oh! Okay, hier ist jedenfalls, worum Sie gebeten haben. Ich bringe Ihnen das Geld, sobald ich jemanden gefunden habe, der mir die Formulare unterschreibt. Aber jetzt werde ich erst einmal, äh ... das Taxi bezahlen gehen.« Sie wirbelte auf dem eleganten Absatz herum. »Oh, und ich soll Ihnen von Ihrem Boss sagen, Sie sollen ihn anrufen«, sagte sie über die Schulter hinweg. »Mit der 9 bekommen Sie ein Amt.«
    Liv starrte der energischen Frau hinterher. Im Film wäre eine junge Katherine Hepburn perfekt für ihre Rolle gewesen.
    Liv schaute sich den Schreibtisch an. Es gab einen Standardcomputer, ein Telefon, einen Kaktus, der offenbar mit zu viel Wasser zu Tode gequält wurde, und ein gerahmtes Bild, das einen Mann Mitte dreißig zeigte. Er beugte sich über eine Frau, die ihrerseits einen sich windenden Dreijährigen auf dem Knie festhielt. Das Kind war dem Mann wie aus dem Gesicht geschnitten. Liv fragte sich, wem der Schreibtisch wohl gehörte – vermutlich dem Mann. Er sah ziemlich pingelig aus, und dieser Schreibtisch hier war für einen Journalisten ungewöhnlich aufgeräumt.
    Aber vielleicht war Liv ja auch nur eifersüchtig.
    Sie schaute weiter auf dieses Bild glücklichen Familienlebens und sah die Gefühle, die aus dem Foto strahlten und die drei Menschen unverbrüchlich miteinander verbanden. Sie hatte das Gefühl, das Werbefoto eines Urlaubsziels zu betrachten, das sie vermutlich nie besuchen würde.
    Schließlich löste Liv sich von dem Foto. Sie nahm sich

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