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Sandrine

Sandrine

Titel: Sandrine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Berg
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war ja anfangs ganz amüsant, aber mit der Zeit merkst du, daß sich ihre Themen ständig wiederholen. Außerdem hat sie keinerlei Scheu vor fremden Zuhörern. Und wenn man dann mit ihr in der Runde sitzt, kriegt natürlich die ganze Umgebung alles mit. Da gerät man automatisch zu einem Image, das man eigentlich gar nicht möchte. Mit anderen Worten: Sandrine wird mit der Zeit immer peinlicher."
    Ich hielt dagegen: "Erstens kenne ich sie noch nicht lange genug, um mich an Wiederholungen stören zu können. Zweitens mag ich sie wirklich. Drittens gehört es zu meinem Beruf. Viertens gibt es nur geladene Gäste und keine Zuhörer, die Sandrine noch nicht kennen. Außerdem vermute ich mal, daß außer mir kaum jemand mitkriegt, was sie wirklich zu erzählen hat, denn ich soll ja ihre bevorzugte Zuhörerin sein."
    "Opfer wäre zutreffender! Aber wenn du dieses Opfer freiwillig auf dich nimmst... Alle ansonsten anwesenden Gäste werden es dir danken!"
    Sandrine hingegen begrüßte mich mit einem Kuß auf beide Wangen. Und jeden Kuß benutzte sie, um mir in zwei Raten zuzuflüstern: "Alles Intimfreunde heute abend hier!" Und:
    "Außer deinem Mann und dir selbstverständlich!"
    Ich strahlte sie daraufhin an und sagte mit gedämpfter Stimme, daß außer ihr es niemand mitbekam: "Und das wird auch so bleiben, wie unter wahren Freunden üblich!"
    Sie wirkte daraufhin sehr nachdenklich und ging mir zunächst tatsächlich sogar aus dem Weg. Daß ich mit meiner Vermutung, es läge an meiner Bemerkung, richtig lag, bewies sie spätestens mit ihrer Eröffnung: "Tut mir leid, daß ich dich so lange habe warten lassen, aber mir ist einiges durch den Kopf gegangen von wegen Freundschaft und so. Ich habe es bisher nie so gesehen, aber vielleicht hast du sogar recht, Iris: Hier ist niemand, mit dem ich nicht schon mal intim war, außer deinem Mann und dir. Andererseits könnte ich nicht sagen, daß unter den Gästen auch nur ein einziger wahrer Freund wäre. So gesehen habe ich so etwas überhaupt nicht: Freunde! Ganz im Gegenteil: Jeder ist peinlich bemüht, mich als Schwindlerin hinzustellen, um nicht zugeben zu müssen, daß er auch nur in geringster Weise an den Geschichten, die ich erzähle, aktiv beteiligt hätte sein können... Wenn wir drei - du, dein Mann und ich - jedoch niemals miteinander intim werden, gibt es dieses Hemmnis nicht.
    Wir können untereinander locker bleiben - und wirkliche Freunde werden!"
    Ja, sie hatte es tatsächlich begriffen! Ich betrachtete sie und mußte mal wieder vor mir selber zugeben, daß ich sie ungemein sympathisch fand. Und es war mir wirklich völlig gleichgültig, ob sie nun gewohnheitsmäßig log oder ob ihre Geschichten auch nur den winzigsten Hauch von Wahrscheinlichkeit hatten.
    Sie hatte alles so organisiert, daß sie sich danach wirklich fast ausschließlich mit mir beschäftigen konnte. Zumal sich ihr Ehemann emsig bemühte, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und mir zu halten - warum auch immer -, um sich stattdessen konzentriert um das Wohl der anderen Gäste zu kümmern. Und ich war ja auch schon ziemlich gespannt darauf, wie ihre Geschichte mit dem Ehepaar ausging, das natürlich auch wieder unter den Gästen zu sehen war. Sie würdigten mich übrigens keines Blickes.
    Vielleicht, weil sie ahnten, daß es in erster Linie um sie ging? Oder war das Gegenteil der Fall: Sie hatten nicht den geringsten Argwohn, daß sie in der Erzählung von Sandrine überhaupt auch nur die kleinste Rolle hätten spielen können...?
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3
    Du fragst dich sicherlich, Iris, wieso die alle kommen, wenn es ihnen andererseits peinlich ist, weil ich alles über unsere gemeinsamen Intimitäten ausgeplaudert habe. Dafür gibt es eine simple Erklärung: Sieh mal, jeder von denen bemüht sich, so zu tun, als sei es nur Fantasie, was ich erzähle. Wenn auch nur einer nicht kommen würde, könnte man Verdacht schöpfen, es könnte doch was an meinen Geschichten dran sein. Deshalb kommen sie und tun ganz cool. Sie geben vor, mich zu schätzen, vielleicht sogar zu mögen. Nur meine Geschichten mögen sie angeblich nicht. Obwohl jeder zuhört. Vor allem dann, wenn es nicht um sie selber geht natürlich.
    Schau dir zum Beispiel mal das Pärchen an, das so still in einer Ecke hockt und das Treiben sozusagen mit ein wenig Abstand betrachtet. Sie machen nicht gerade den Eindruck, daß sie sich unwohl fühlen könnten auf einer Party, die ich veranstalte, nicht wahr? Dabei waren

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