Sands, Lynsay - HG 128 - Doppelspiel aus Liebe
bei Beth und den Hartshairs. Die Männer lösten sich ständig ab. Einer schlief, einer lenkte die Pferde, und einer leistete dem jeweiligen Kutscher Gesellschaft. Auf diese Weise hatten sie während der vergangenen vierzig Stunden alle sechs Stunden die Rollen getauscht und waren jetzt nicht einmal länger als eine Stunde von ihrem Ziel entfernt.
Radcliffe wäre erleichtert gewesen, diese Zweitagereise hinter sich zu haben, hätte er nicht so sehr gefürchtet, dass Charlie möglicherweise gerade in dieser Minute gezwungen wurde, Carland*zu ehelichen. Diese Sorge ließ die letzte Stunde der Fahrt vergehen, als dauerte sie einen ganzen Tag. Als sie endlich eintrafen, war Radcliffe so nervös, dass er vom Kutschbock sprang, noch ehe der Wagen zum Stillstand gekommen war.
Unverzüglich begab er sich zu den Stallungen, fand dort den Zuständigen und erfuhr von diesem, dass niemand, auf den Charlies und Bessies Beschreibung gepasst hätte, hier angekommen sei.
Er eilte wieder hinaus. „Sie haben hier nicht angehalten. Wir müssen weiter herumfragen.“
„M’lady?“ wiederholte Bessie leise und beugte sich zu ihr hinunter.
Beide lagen wieder auf dem Boden der Kutsche. Genauer gesagt, war der Kutschenboden der Platz, an dem Charlie die vorherige Nacht und den Tag verbracht hatte. Nach ihrem letzten Brechanfall hatten die Männer sie hier abgelegt, und weil es ihr viel zu schlecht ging, um sich irgendwie zu bewegen, war sie einfach liegen geblieben. Bessie hatte sich zu ihr gesellt und sich bemüht, es ihr ein wenig bequemer zu machen. Charlie war fest davon überzeugt, dass niemand in England eine bessere Zofe hatte, als Bessie es war.
„M’lady? Ich glaube, wir sind bald da.“
Charlie hob den Kopf und spähte aus dem Fenster. In der Nähe sah sie einen kleinen Fichtenhain. Sie hatte genug gehört, um zu wissen, dass dies der Orientierungspunkt war, nach dem sie ausschauen mussten. „Ja, wir sind angekommen.“
„Und was machen wir jetzt?“
Im abendlichen Zwielicht blickte Charlie Bessie an. Sie setzte sich mühsam auf, zog sich stöhnend hoch auf die Sitzbank und fühlte die frische Luft durch das offene Fenster hereinwehen.
„Wir werden eine passende Gelegenheit abwarten – und dann entfliehen“, erklärte Charlie tapferer, als sie sich fühlte. Angesichts ihrer Schwäche wäre allerdings eine wirklich günstige Gelegenheit nötig, wenn ihnen eine Flucht gelingen sollte …
Entweder Bessie setzte mehr Vertrauen in sie, als sie verdiente, oder Bessie war zu höflich, um ihre Zweifel zu zeigen. Das Mädchen schwieg nur und zog sich auf die gegenüberliegende Sitzbank zurück.
„Gibt es etwas Neues?“ erkundigte sich Beth, als die drei Männer zurückkehrten.
„Nein“, musste Radcliffe zugeben. „Wir …“ Er sprach nicht weiter, weil eine Kutsche rasch vorbeirollte und das Hufgeklapper zu laut war.
Umgeben von den drei Männern spähte Beth durch eine fingerbreite Lücke zwischen Radcliffe und Tom zu der fremden Kutsche hinüber und fasste dann ihren Ehemann beim Arm. Ein ersticktes Keuchen entrang sich ihrer Kehle.
„Was hast du?“ fragte Tom beunruhigt.
„Charlie!“ Beth schaute dem Wagen hinterher, der in nördlicher Richtung fuhr. „Ich sah Charlie in dieser Kutsche!“ erklärte sie und blickte finster drein. „Sie wirkte sehr krank. Entsetzlich blass war sie.“
Wortlos machte Radcliffe kehrt und eilte der Kutsche nach. Tomas warf noch einen Blick auf die Stallungen. „Tausche unser Gespann gegen frische Pferde ein, und lasse sie an unsere Kutsche schirren, Beth. Folge uns dann nach!“ instruierte er sie, doch als er sich umdrehte, lief seine Gattin bereits hinter Radcliffe her die Landstraße entlang, wobei ihr kleiner Podex mit jedem Schritt in der Kniehose keck wackelte.
„Ich kümmere mich darum, Mylord.“
„Was?“ Tomas schaute Stokes erst verwirrt an und nickte dann. „Oh … Ja, gut. Tun Sie das. Danke.“ Dann lief auch er davon – seiner jungen Gemahlin hinterher.
„M’lady?“ Matt schlug Charlie die Augen auf und stellte zu ihrem Schrecken fest, dass sie wieder eingeschlafen gewesen war. Sie setzte sich auf. Wie kann ich denn nur zu dieser Tageszeit schlafen? fragte sie sich, wusste jedoch sofort die Antwort: Das kam davon, weil sie sich zwei Tage lang unausgesetzt hatte erbrechen müssen, ohne dass man ihr auch nur einen Schluck Wasser oder Nahrung gegeben hätte.
Sie warf einen Blick auf das bekümmerte Mädchen und seufzte. „Nur keine Angst,
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