Sanft berührt – und schon verführt?
hätte sie nicht kommen, sondern Kieran doch besser ein paar Tage bei sich in Santa Monica unterbringen sollen. Hier war er zu Hause, und sie hatte schon jetzt das Gefühl, die schlechteren Karten zu haben. Außerdem war ihr nicht entgangen, dass er Cammies ungewöhnliche Augenfarbe bemerkt und daraus seine Schlüsse gezogen hatte. Das war kein guter Anfang.
Hinter dem massiven Steinhaus stand eine große Scheune mit angrenzenden Ställen. Es roch nach Heu und warmen Pferdeleibern. Kieran führte Cammie an prachtvollen Hengsten vorbei zu einem kleineren Stall, in dem ein braun-weißes Pony genüsslich Heu mampfte. Er gab Cammie ein paar Apfelstückchen aus einem Eimer, der neben der Stalltür stand. „Die kannst du ihm auf der flachen Hand reichen. So.“
Er zeigte es ihr. Cammies Augen leuchteten auf, als das Pony ihr vorsichtig mit seinen weichen Lippen die Leckerei von der ausgestreckten Hand nahm. „Mommy, sieh mal!“ Sie sah die Mutter strahlend an. „Es mag mich!“
Kieran legte ihr die Hand auf die Schulter. „Es heißt Sunshine, und du kannst es reiten, solange du hier bist.“
„Jetzt gleich?“ Cammie hüpfte aufgeregt auf und ab. „Oh, Mommy, bitte …“
Die beiden Erwachsenen sahen sich an. Olivias Blick war verärgert, Kierans dagegen vollkommen ausdruckslos. „Später“, sagte Olivia nachdrücklich. „Wir haben noch viel Zeit.“
Olivia hatte befürchtet, dass Kieran sie gleich sämtlichen Verwandten vorstellen würde, aber er führte sie in einen abgelegenen Flügel des Hauses. Er öffnete die Tür zu einer hübschen Suite in sanften Farben. Durch die geöffneten Fenster kam die warme, weiche Sommerluft herein. Eine Verbindungstür führte in einen zweiten Raum. „Und dies ist dein Zimmer, Cammie.“
Olivia sah, wie die Kleine die Augen aufriss. Die Einrichtung ähnelte der eines Baumhauses: Das Bett stand auf einer erhöhten Plattform, die die Form eines Baumstumpfs hatte und die mit einem Netz aus groben Seilen umgeben war, das bis zum Boden reichte. Cammie zog sofort ihre Schuhe aus und kletterte wie ein Äffchen an den Seilen empor. „Mommy, guck mal!“, schrie sie begeistert. „Das ist super! Danke, Kieran!“
In Windeseile kam sie wieder herunter. Sie stürzte sich zunächst auf die Bücher, die auf in den Baumstumpf eingelassenen Regalen standen. Dann auf die zwei Borde mit Spielen. Und schließlich stand sie staunend vor einem großen Aquarium.
Olivia nahm Kieran beiseite. „Bist du verrückt geworden? Was soll dieser Aufwand für drei Tage? Das muss doch ein Vermögen gekostet haben. Du irrst dich, wenn du glaubst, uns kaufen zu können.“
„Das Geld spielt keine Rolle“, erwiderte er leise und ließ die Augen nicht von Cammie, die begeistert von einem Wunder zum nächsten lief. „Ich möchte, dass sich meine Tochter hier zu Hause fühlt.“
„Sie ist nicht deine Tochter“, zischte Olivia automatisch, merkte aber selbst, dass das immer weniger überzeugend klang.
Kieran achtete nicht darauf. „Sie ist intelligent, was?“
„Allerdings. Sie war kaum zwei Jahre alt, da sprach sie schon in ganzen Sätzen. Mit dreieinhalb konnte sie lesen. Und ein Jahr später wusste sie schon mit meinem Laptop umzugehen. Ich komme kaum hinterher.“
„Ein Kind braucht beide Elternteile, Olivia.“ Er sah sie dabei nicht an, aber die Worte wirkten auch so wie eine Drohung.
„Du bist doch auch nur mit deinem Vater aufgewachsen“, gab sie zurück. „Und aus dir ist trotzdem was geworden.“
Er wandte sich zu ihr um, in seinen Augen stand tiefe Trauer. „Meine Kindheit wünsche ich niemandem“, sagte er tonlos.
Sie wurde rot und legte ihm schnell die Hand auf den Arm. „Entschuldige, Kieran, das hätte ich nicht sagen sollen.“
Er griff nach ihrer Hand und hauchte einen Kuss darauf. „Heute Abend, wenn Cammie schläft, können wir über alles sprechen. Eines unserer Hausmädchen kann babysitten, sodass wir nicht gestört werden.“ Er packte ihr Handgelenk fester. „Und ich werde keine Ausrede akzeptieren!“
Wieder war sie beeindruckt von der Art und Weise, wie er Zärtlichkeit und männliche Autorität zusammenbrachte. Er war kein Mann, den man manipulieren konnte, sondern erwartete Gehorsam. Das machte sie zwar wütend, doch zugleich wusste sie auch, dass sie vorsichtig sein musste. Denn es bestand die Gefahr, dass er Cammie die Wahrheit verriet. Dass er der Kleinen sagte, dass er ihr Vater sei und dass er sie kennenlernen und an ihrem Leben teilhaben wolle. Und
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