Sanft berührt – und schon verführt?
was wäre Olivia für eine Mutter, würde sie ihn daran hindern?
Aber vielleicht hatte er noch ganz andere Pläne. Würde er darauf bestehen, das Sorgerecht mit ihr zu teilen? Oder sogar das volle Sorgerecht für sich beanspruchen und seine Tochter hier einsperren, bis sie alt genug war zu fliehen? Wenn man bedachte, was sein paranoider Vater ihm und seinen Brüdern angetan hatte, war das gar nicht so abwegig. Schließlich hatte der alte Wolff seine Söhne aus Angst vor einer Entführung in eben diesem Haus eingesperrt und sie erst als Erwachsene freigelassen. Und auch das nur unter der Bedingung, dass sie unter falschem Namen auftraten.
Was für eine schreckliche Vorstellung! Olivia hatte also keine andere Wahl. Sie musste Kieran davon überzeugen, dass die Vaterrolle nichts für ihn sei, weil er dann seinen Lebensstil komplett ändern müsse.
Als Olivia und Cammie endlich allein waren, krochen sie in Olivias Bett und fielen sofort in einen tiefen Schlaf. Auch wenn die Kleine einen ganzen Abenteuerspielplatz für sich hatte, war es manchmal sehr viel schöner, sich in Mommys Arme zu schmiegen.
Als sie erwachten, dämmerte es bereits. Jemand hatte einen Zettel unter der Tür hindurchgeschoben: „Dinner um sieben“ stand darauf. Während Olivia und Cammie sich wuschen und umzogen, trat ein junges Mädchen mit einem Teller Weintrauben, Cracker und Käsewürfeln durch die Tür.
„Danke.“ Olivia nahm den Teller gern entgegen. Cammie war bestimmt hungrig, und wenn sie dann nichts zu essen bekam, konnte sie schnell unleidlich werden.
An diesem Abend benahm sie sich jedoch vorbildlich. Überhaupt verlief das Dinner sehr viel angenehmer, als Olivia befürchtet hatte, denn glücklicherweise war nicht der ganze Wolff-Klan anwesend, als sie mit Cammie das große Speisezimmer betrat. Lediglich Kierans Vater Victor, seine beiden Brüder Gareth und Jacob sowie Gareths junge Frau Gracie saßen um den großen Mahagonitisch herum.
Olivia legte Cammie die Hand auf die Schulter. „Bitte, entschuldigen Sie, dass wir zu spät kommen. Aber wir haben uns im zweiten Stock verirrt.“
Schmunzelnd stand Victor Wolff auf. „Das ist verständlich. Bitte, setzen Sie sich. Die Suppe wird gleich serviert.“ Er betrachtete Cammie kurz, aber aufmerksam, dann hob er wieder den Blick. „Herzlich willkommen hier bei uns in den Bergen, meine Damen. Solch angenehme Gäste bringt Kieran selten mit.“
„Danke, Sir.“ Olivia setzte sich und rückte Cammie den Stuhl neben sich zurecht. Zu ihrer eigenen Überraschung war sie wahnsinnig nervös. Nicht wegen des formellen Dinners, so etwas war sie ihr Leben lang gewohnt. Sondern wegen der kaum verhüllten Neugier, mit der die Anwesenden sie und Cammie musterten.
Das fiel selbst Kieran auf. Während das Essen serviert wurde, begann er daher eine unverfängliche Unterhaltung, um die angespannte Atmosphäre zu lockern. „Sag mal, Dad, was habt ihr denn für diesen Sommer vor, Onkel Vincent und du? Ich meine, an größeren Projekten?“ Er drehte sich zu Olivia, die links neben ihm saß, und fügte erklärend hinzu: „Dad kann nicht ohne Änderungen leben. Mal sind die Scheune und die Ställe zu streichen, dann wieder lässt er eine Bowlingbahn im Keller einbauen.“
Obgleich ihr die körperliche Nähe Kierans nur zu deutlich bewusst war, schaffte sie es, freundlich zu lächeln. „Bei einem solchen Besitz gibt es wahrscheinlich immer viel zu tun.“
„Allerdings.“ Victor nickte. „Aber diesmal plane ich etwas ganz Besonderes. Ich möchte auf der Rückseite des Berges Weihnachtsbäume anpflanzen lassen.“
Cammie blickte von ihrem Teller voller Nudeln auf und strahlte. „Wie toll! Ich liebe Weihnachten. Mommy schmückt dann das ganze Haus.“
„Das ist aber schön.“ Victor sah sie lächelnd an. „Wie alt bist du eigentlich, junge Dame?“
„Fünf“, antwortete sie knapp und wandte sich wieder ihrem Essen zu.
Victor richtete den Blick auf Olivia. „Mein Sohn hat uns kaum etwas von Ihnen erzählt, Olivia. Kennen Sie einander schon lange?“
Plötzlich lag ihr das Essen wie ein Stein im Magen. Genau diese Fragerei hatte sie befürchtet. Doch es gelang ihr, sich zusammenzunehmen. „Wir haben uns auf der Universität in Oxford kennengelernt. Sie wurden kurz darauf sehr krank, und daraufhin haben Kieran und ich uns aus den Augen verloren.“
„Soso …“
Was meint er damit?
Das Klingeln ihres Handys hielt Olivia davon ab, länger darüber nachzugrübeln. Wahrscheinlich
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