Sanft berührt – und schon verführt?
wand, um freizukommen. Zärtlich strich sie Cammie den Pony aus der Stirn. „Willst du auch wirklich hierbleiben? Du musst nicht.“
„Doch, Mommy, ich will. Und grüß Grandpa und Grandma von mir.“ Bevor Olivia sie noch einmal an sich ziehen konnte, war die Kleine davongehüpft.
Kieran stand mit ausdruckslosem Gesicht neben Olivia. Er hatte gestern Nacht an ihre Tür geklopft, aber sie hatte sie abgeschlossen und ihn auch nicht hereingelassen. Wahrscheinlich wollte er seinen Heiratsantrag wiederholen, und sie war nicht sicher gewesen, ob sie hätte standhaft bleiben können. Dabei wusste sie im Grunde, dass sie mit dieser Lösung nie zufrieden sein würde. Sie war nicht der Typ Frau, der pflichtbewusst auf Wolff Mountain ausharrte und wie Rapunzel in ihrem Turm auf den Prinzen wartete. Nicht, wenn er sie nicht liebte.
Sie reichte Jeremy ihr Gepäck, der alles in seinem Mietwagen verstaute. Noch einmal drehte sie sich zu Kieran um, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Auf Wiedersehen. Pass gut auf unsere Kleine auf. Ich melde mich.“
Als sie das große Tor passiert hatten, konnte Olivia die Tränen nicht länger zurückhalten. Ohne sie anzusehen, reichte Jeremy ihr ein Taschentuch. „Warum erlöst du ihn nicht aus seinem Elend? Du liebst ihn doch.“
„Aber er mich nicht. Er findet es gut, dass wir eine Tochter haben, und er geht gern mit mir ins Bett, aber das ist mir zu wenig.“
„Bist du sicher, dass er nicht mehr für dich empfindet? Für eine Frau wie dich, hübsch, intelligent, humorvoll?“
Unter Tränen musste sie lächeln. „Danke, das tut mir gut.“
„Es ist mein voller Ernst. Du solltest dir darüber klar werden, was du willst. Und dann dafür kämpfen.“
Sie sah ihn verblüfft an. „Seltsam. Victor Wolff hat mir fast den gleichen Rat gegeben, wenn auch mit etwas anderen Worten.“
„Dann solltest du deinen hübschen Kopf vielleicht nicht in den Sand stecken, sondern etwas tun.“
Drei Wochen blieb Olivia in Kalifornien. Die ersten Tage waren gut ausgefüllt. Sie musste vieles mit der Versicherung klären, die Aquarelle fertig malen und an den Verlag schicken. Glücklicherweise hatte sie die Originale immer dabei, sodass sie nicht verbrannt waren.
In der zweiten Woche wurde der Brandstifter verhaftet, ein bedauernswerter Mann, der geistig verwirrt war. Dennoch war es eine Erleichterung. Inzwischen hatte Olivia sich entschlossen, ihr Grundstück zu verkaufen, und sah schweren Herzens zu, als die Bulldozer die noch stehenden Mauerreste niederwalzten. „Alles, was ich wollte, war ein richtiges Zuhause und eine Familie …“, sagte sie leise zu Jeremy, der treu neben ihr stand.
„Ich weiß.“ Er legte ihr brüderlich einen Arm um die Schultern. „Aber du musst auch zugeben, dass sich manches in deinem Leben positiv verändert hat. Cammie hat einen Daddy. Außerdem hast du Verwandte gefunden, die dich sehr mögen. Und ein neues Zuhause … wenn du nur willst.“
„Aber ich habe fast immer in Kalifornien gelebt.“
„Ich auch. Trotzdem lebe ich jetzt sehr gern in New York. Und Wolff Mountain gefällt dir doch, oder?“
„Ja, das schon. Aber was ist mit meinen Eltern?“
„Die kommen fabelhaft ohne dich zurecht. Außerdem gibt es doch neuerdings diese fliegenden Maschinen, die einen ganz schnell von einem Ort zum anderen bringen können. Findest du nicht, dass du dich endlich um das kümmern solltest, was du wirklich willst?“
Sie schaute ihn mit großen Augen an. „Ich habe Angst, Jeremy. Er hat mir letztes Mal so schrecklich wehgetan.“
„Damals warst du fast noch ein Kind. Heute bist du eine erwachsene Frau. Außerdem weiß er, dass ich ihn grün und blau schlage, wenn er dich unglücklich macht.“
Lachend gingen sie zum Auto zurück. Während Olivia sich anschnallte, sah sie den Freund schmunzelnd von der Seite her an. „Wir sollten für dich eine nette Frau finden, Jeremy Vargas.“
„Du liebe Zeit!“ Er grinste und ließ den Motor an. „Ich bin sehr gern Single. Wir wollen uns erst mal auf dich konzentrieren.“
Als Olivia nach Wolff Mountain zurückkehrte, war kaum jemand da. Die Haushälterin begrüßte sie und erklärte ihr, dass Cammie mit Victor und Annalise nach Charlottesville gefahren sei. Wo Kieran war, wisse sie nicht. Seit dem Frühstück sei er verschwunden.
Olivia brachte das Gepäck in ihre Suite und war froh, erst einmal allein zu sein. Einerseits hatte sie kommen wollen, weil sie sich sehr nach
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