Sanft kommt der Tod
der Anfang ist.«
»Woher sollte sie wissen, was Rizin ist, und vor allem, wie man es benutzt?«
»Sie ist clever. Clever genug, um zu beobachten, Schlüsse daraus zu ziehen und im Internet nachzusehen.«
»Und das Anästhetikum, das bei Williams verwendet wurde? Wie soll sie daran gekommen sein?«
»Sie arbeitet freiwillig bei einer Organisation mit Namen Von den Kids. Und weißt du, was die machen?« Sie tippte auf Rayleens vollen Terminkalender, der zeigte, dass sie immer samstags bei der Gruppe war. »Sie besuchen Kinder-und Altersheime und vertreiben den Kranken und Siechen dort ein wenig die Zeit. Ich wette, dort konnte sie sich alles besorgen, was sie brauchte. Denn wer achtet schon besonders auf ein süßes, hilfsbereites, kleines Mädchen, wenn es sich einmal in ein Schwesternzimmer verirrt? Ich muss ihr Tagebuch finden.«
»Bist du sicher, dass sie eins besitzt?«
»Es war ein kleiner Fehler, dass sie mir gegenüber ihr Tagebuch erwähnt hat, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das ist mir sofort aufgefallen. Dass sie immer nur von sich geredet hat. Ich habe gesehen, ich habe den Toten gefunden, ich denke, ich weiß. Nur war mir nicht sofort klar, was das zu bedeuten hat.«
Sie presste grimmig die Lippen aufeinander. »Aber ihr anscheinend auch nicht. Woher hätte sie auch wissen sollen, dass ich irgendwann in ihrem Zimmer schnüffeln würde? Es steht alles in ihrem Tagebuch, davon bin ich überzeugt. Denn wer kann ihr wegen dieser Taten anderes auf die Schulter klopfen als sie selbst? Und das kann sie nur tun, indem sie es notiert. Nur hat sie das Tagebuch rechtzeitig vor der Durchsuchung aus dem Haus geschafft.«
Wieder trat sie vor die Tafel, nahm ein paar Zettel ab, mischte sie und ordnete sie neu. »Sie hatte jede Menge Zeit, um das Ding rauszuschmuggeln, während ihr Daddy die Anwaltsmuskeln spielen lassen hat. Verdammt, vielleicht hat sie es sogar zerstört. Sie wäre schlau genug, um es zu vernichten, damit man ihr nichts beweisen kann. Vielleicht muss ich erst einmal beweisen, dass es dieses Tagebuch überhaupt jemals gegeben hat.«
»Du scheinst das alles ziemlich gelassen zu sehen«, bemerkte Roarke.
»Das muss ich auch. Denn schließlich habe ich ein ums andere Mal die Augen zugemacht. Ich wollte es einfach nicht sehen. Himmel, wer würde das schon wollen? Ich wollte nicht dieses Kind mit den hübschen Locken anschauen und eine Mörderin dahinter sehen. Aber ich habe sie gesehen. Und sehe sie immer noch. Wenn ich dafür sorgen will, dass die Toten Gerechtigkeit erfahren, brauche ich sämtliche Details, damit ich dem Staatsanwalt das Paket mit einer hübschen Schleife versehen präsentieren kann. Weil schließlich niemand ein süßes Schulmädchen wegen mehrfachen vorsätzlichen Mordes drankriegen will.«
»Wenn du tatsächlich recht hast. Was, wenn es weitere Opfer gab?«
Eve atmete hörbar aus und rief Rayleens Foto auf dem Bildschirm des Computers auf. »Ja, das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Was, wenn es weitere Opfer gab? Kranke Kinder oder Senioren? Hat sie auch eins oder einen von ihnen umgebracht? Sie hat ständig irgendwelche Termine. Mit wie vielen Menschen hat sie jeden Tag, jede Woche, jeden Monat zu tun? Gab es noch andere Unfälle, andere Todesfälle, andere ungelöste Morde? Ich werde es herausfinden.«
»Sie muss sehr, sehr krank sein.«
»Ich weiß nicht, was sie ist, aber ich weiß, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, damit sie für die Taten bezahlt.« Sie sah sein Gesicht und alles in ihr spannte sich an. »Du denkst, dass ich Mitleid mit ihr haben sollte?«
»Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Ich bin mir nicht sicher, was ich denken soll, aber Tatsache ist, dass du nicht nur glaubst, sondern auch sehr überzeugende Argumente dafür hast, dass dieses Kind kaltblütig mehrere Menschen ermordet hat.«
Er trat wieder vor das Dreieck, vor die Familiengalerie. »Hast du dir schon überlegt, dass es vielleicht einer oder ihre beiden Eltern waren, die die Morde begangen haben, und dass sie das irgendwoher weiß ? Dass es das ist, was du spürst?«
»Ich werde die Möglichkeit nicht ausschließen.«
»Eve.« Er wandte sich ihr zu und sein durchdringender Blick bildete einen deutlichen Kontrast zu der sanften Zärtlichkeit, mit der er ihr über die Haare strich. »Ich muss dich einfach fragen: Ist irgendwas in dir, das will, dass sie es ist?«
»Nein. Nein. Es ist etwas in mir, das nicht will, dass sie es ist. Deshalb
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