Sanft kommt der Tod
Weihnachtsfeste, an denen sie und Dennis bis in die frühen Morgenstunden auf gewesen waren, um alles zu richten, während ihre Kinder geschlafen hatten. Bevor sie erschöpft ins Bett gefallen und schon wenige Stunden später von den Kindern aus dem Schlaf gerissen worden waren, weil die in ihr Schlafzimmer gerannt gekommen waren, um sie mit ins Wohnzimmer zu nehmen und zu sehen, ob der Weihnachtsmann schon da gewesen war.
»Es wäre möglich, dass sie sich, nachdem die Eltern ins Bett gegangen waren und der Bruder aufgestanden ist, hinuntergeschlichen hat. Wobei das mit den Pantoffeln wirklich seltsam ist«, stimmte sie Eve zu. »Ich finde es auch ein wenig eigenartig, dass sich ein Kind in diesem Alter ins Wohnzimmer geschlichen, die Pantoffeln angezogen und dann noch mal fast zwei Stunden geschlafen haben soll.«
»Das hat sie auch nicht getan«, gab Eve tonlos zurück. »Sie ist aufgestanden - und ich garantiere Ihnen, sie hatte sich den Wecker gestellt, weil sie, was Ihrem Profil entspricht, immer alles sorgfältig plant und ihre Pläne zielstrebig verfolgt. Sie ist aufgestanden, ins Zimmer ihres Bruders gegangen, hat ihn geweckt und ihm gesagt, er soll ganz leise sein. Als sie dann oben an der Treppe standen, die sich, dem Bericht des Ermittlers zufolge, vom Elternschlafzimmer aus betrachtet, am entgegengesetzten Ende des Flurs befand, hat sie ihm einen Stoß versetzt.«
Worauf der kleine Körper die Treppe hinuntergestolpert und zerbrochen war.
»Dann ist sie runtergegangen, hat sich vergewissert, dass ihre Arbeit erfolgreich war, und hat nachgesehen, was für schöne Dinge sie vom Weihnachtsmann bekommen hat. Und was sie jetzt auch noch bekommen würde, was ursprünglich für ihren Bruder vorgesehen gewesen war.«
Das grauenhafte Bild, das sie mit diesen Worten zeichnete, hinterließ deutliche Spuren in Miras Gesicht.
»Sie hat die Pantoffeln angezogen. Weil ihr Dinge gefallen, auf denen ihr Name steht. Was ein kleiner Fehler war«, fügte Eve gnadenlos hinzu. »Genau wie die Tatsache, dass sie mir gegenüber das Tagebuch erwähnt hat. Aber das konnte sie sich einfach nicht verkneifen. Wahrscheinlich hat sie eine Weile mit ihren Sachen gespielt. Bestimmt hat sie gedacht, ihre Eltern würden es nicht merken, wenn sie die Dinge ein wenig verrückt, und konnte der Versuchung ganz einfach nicht widerstehen. Denn schließlich gehörten jetzt all die schönen Dinge ihr.
Dann ist sie wieder raufgegangen. Ich frage mich, ob sie ihren Bruder zu dem Zeitpunkt überhaupt noch wahrgenommen hat. Schließlich war er für sie kein Thema mehr.«
Sie blickte Whitney an. Seine Hände lagen wieder ruhig auf der Schreibtischplatte, und auch sein Gesicht war völlig ausdruckslos. »Vielleicht hat sie versucht, noch ein bisschen zu schlafen, aber das gelang ihr sicher nicht. Schließlich lagen all die schönen Spielsachen dort unten, und es gab niemanden mehr, mit dem sie sie hätte teilen müssen. Also ist sie ihre Eltern wecken gegangen, damit sie weiterspielen konnte.«
»Was Sie da beschreiben ...«, setzte Mira an.
»Ist eine Soziopathin«, beendete Eve den Satz. »Und genau das ist sie auch. Eine mörderische Soziopathin, die nicht nur ausnehmend intelligent, sondern obendrein extrem narzisstisch ist. Deshalb hat sie das Tagebuch behalten. Weil sie sich nur darin ihrer Fähigkeiten und der Tatsache, dass sie mit ihrem Treiben durchkommt, rühmen kann.«
»Wir brauchen dieses Tagebuch.«
»Ja, Sir.« Sie nickte Whitney zu.
»Warum Foster und Williams?«
»Foster weiß ich nicht, außer sie hätte ihn einfach umgebracht, weil es ihr möglich war. Obwohl sie mir nicht wie jemand vorkommt, der irgendetwas tut, nur weil es machbar ist. Williams war ein äußerst praktischer, wenn auch unerwarteter Sündenbock. Was ich auf meine Kappe nehmen muss. Ich habe ihn in die Enge getrieben, und sie sah die Gelegenheit, nicht nur abermals zu töten - woran sie meiner Meinung nach inzwischen durchaus Gefallen gefunden hatte -, sondern mir obendrein einen Verdächtigen auf dem Silbertablett zu servieren. Und zwar entweder ihn oder die Rektorin. Weil ich mir sicher bin, dass Rayleen wusste, dass zwischen den beiden was gelaufen war.«
»Selbst wenn wir das Tagebuch bekommen, selbst wenn sie darin alles detailliert aufgeschrieben hat, dürfte es schwierig werden zu beweisen, dass sie diese Taten aus eigenem Antrieb oder ohne fremde Hilfe begangen hat. Weil ihr Vater Ihnen von jetzt an sicher jede Menge Knüppel zwischen die
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