Sanft kommt der Tod
doch sicher einen Mantel angezogen, doch soweit sie sehen konnte, hingen noch alle Mäntel da.
Sie rief erneut nach Mrs Straffo, ging die Treppe hinauf in die mittlere Etage.
Dort saß Rayleen an ihrem Schreibtisch, hatte ihr Headset auf und malte an einem Bild. Es hätte keinen Sinn, das Kind zu stören, dachte Cora, zog aber die Brauen hoch, als sie ein Stück Schokoladenkuchen und ein Glas mit Limonade auf dem Schreibtisch stehen sah.
Darüber würden sie später reden, dachte sie, denn erst mal sähe sie nach der gnädigen Frau.
Wahrscheinlich hatte sie sich wegen ihres Kopfwehs etwas hingelegt. Ohne vorher etwas zu essen, das wäre nicht gut.
Da die Schlafzimmertür geschlossen war, klopfte sie vorsichtig an und schob sie einen Spaltbreit auf.
Mrs Straffo lag im Bett. Auf ihrem Schoß lag ein Tablett mit einer umgekippten Tasse. Wahrscheinlich war das arme Lamm im Sitzen eingeschlafen und hatte dabei seinen Tee verschüttet. Sie würde das Tablett zur Seite räumen, dachte Cora und lief leise durch den Raum.
Dann sah sie das leere Pillenfläschchen, das auf der geblümten Decke lag.
»Oh, heilige Mutter Gottes, grundgütiger Jesus! Gnädige Frau!« Sie packte Allika bei den Schultern, schüttelte sie kräftig und schlug ihr, als sie nicht reagierte, kraftvoll ins Gesicht.
Dann griff sie panisch nach dem Link, das auf dem Nachttisch stand.
»Macht Ihnen diese Situation persönlich zu schaffen?«, fragte Mira Eve.
»Das kann ich noch nicht sagen.« Eve hatte die Sirene eingeschaltet und trat das Gaspedal bis auf den Boden durch. »Ich weiß nicht, ob ich sie nicht sofort ins Visier genommen habe, weil ich es nicht wollte, weil ich persönliche Probleme hatte oder weil es einfach nicht klick gemacht hat. Wahrscheinlich werde ich es nie erfahren.«
»Wollen Sie wissen, was ich denke?«
»Ja, sicher. Du dämlicher Hurensohn, hörst du die Sirene nicht?«
»Ich denke ...« Mira beschloss, einfach die Augen zuzumachen, um nicht von dem Bild des verkehrsbedingten, bevorstehenden Todes abgelenkt zu werden, und fuhr fort: »Niemand hätte sie anfangs ins Visier genommen. Schließlich sind wir darauf programmiert, Kinder zu beschützen und für unfähig zu halten, eiskalt geplante Morde zu begehen. Vielleicht haben Sie mit allem, was Sie von ihr denken, recht. Ich glaube, dass der Tod von ihrem kleinen Bruder tatsächlich kein Unfall war. Allerdings tippe ich bei den beiden Morden in der Schule eher auf die Rektorin.«
»Fünfzig.«
»Fünfzig was?«
»Fünfzig Dollar, dass auch diese Taten auf das Konto von der Kleinen gehen.«
»Sie wollen um zwei Morde wetten?«
»Es ist doch nur Geld.«
»Also gut«, stimmte die Psychologin schließlich zu. »Fünfzig, dass es Arnette Mosebly war.«
»Okay. Und jetzt werde ich Ihnen sagen, warum sie es nicht war. Die Schule ist ihr Leben und ihr ganzer Stolz. Vielleicht könnte sie einen Mord begehen, aber das würde sie dann außerhalb des Schulgeländes tun. Diese Art Publicity würde sie ihrer geliebten Akademie ersparen. Diese Sache hat die Schule bereits mehrere Schüler gekostet, und sie kostet sie am Ende vielleicht auch noch ihren Job.«
»Ein gutes Argument, aber der Selbsterhaltungstrieb ist für gewöhnlich stärker als die Liebe zu egal welchem Beruf. Falls Foster etwas von ihrer Beziehung zu Williams wusste, war er eine direkte Gefahr für sie. Vielleicht hat er ihr sogar gesagt, dass er die Sache melden will. Das hat Williams ihrer eigenen Aussage zufolge ebenfalls getan, und zwar bei dem Versuch, sie zu erpressen, damit sie ihn seinen Job behalten lässt.«
»Wollen wir auf hundert erhöhen?«
Bevor Mira ihr eine Antwort geben konnte, klingelte Eves Handy abermals. »Was ist denn jetzt schon wieder? Dallas?«
»Dallas, Allika Straffo ist auf dem Weg ins Parkside Hospital. Sie hat eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt, ihr Zustand ist kritisch.«
»Wo ist das Kind?«
»Das Au-pair hat Rayleen mitgenommen. Die beiden haben ein Taxi genommen und sind dem Krankenwagen hinterhergefahren. Ich habe sie zum zweiten Mal ganz knapp verpasst. Der Beamte, der zuerst im Penthouse war, meinte, dass das Kind total hysterisch war.«
»Davon bin ich überzeugt. Sie sind noch im Penthouse?«
»Ich wollte noch mit den Beamten sprechen, die auf den Notruf hin gekommen sind. Das Au-pair hat den Krankenwagen gerufen, als die Sanitäter von der Überdosis hörten, haben sie unsere Kollegen informiert.«
»Ich will das Tagebuch. Finden Sie es. Ich fahre direkt
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