Sanft kommt der Tod
mit der Lektüre haben.«
Dann blickte sie wieder auf das Buch und las weiter daraus vor.
Ich hätte meine Mutter im Zoology zum Mittagessen treffen sollen. Das ist mein Lieblingsrestaurant, und wir mussten drei Wochen im Voraus reservieren. Eines Tages, wenn ich berühmt bin, werde ich keine blöden Reservierungen mehr brauchen, wenn ich irgendwo hingehen will. Die Leute werden dankbar sein, wenn ich mich dazu herablasse, in ihrem Restaurant zu essen.
Danach hätte ich in den Schönheitssalon gehen sollen, um mir die Haare stylen und eine Pediküre machen zu lassen. Ich hatte mir schon die Karnevalslackierung mit dem Glitzer ausgesucht. Aber dann hat Coras Handy geklingelt, es war meine Mutter, die uns heimgerufen hat. Dabei hatten wir doch jede Menge Pläne! Wir hatten Reservierungen, aber trotzdem musste ich nach Hause kommen, mir war der ganze Tag vermiest. Meine Mutter war noch nicht mal angezogen, als wir heimgekommen sind. Sie denkt eben immer nur an sich.
Aber es ist vor allem die Schuld von diesem neugierigen Lieutenant Dallas. Erst dachte ich, sie wäre interessant, aber das ist sie nicht. Sie ist einfach gemein, aufdringlich und dumm, jetzt musste ich alles in Ordnung bringen. Schon wieder. Aber das ist okay. Meine Mutter ist so schwach und dumm, und mein Daddy hat ihr in letzter Zeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt als mir. Also habe ich mich um die Sache gekümmert. Es war superleicht. So leicht war es noch nie.
Sie hat Pillen in der Wäschekommode versteckt. Als ob ich die nicht finden würde! Ich brauchte ihr also nur einen Tee zu kochen und die Pillen darin aufzulösen. Wie bei der stinkenden alten Mrs Versy letztes Jahr im Kinley-Pflegeheim. Wobei ich für Mami mehr Tabletten brauchte, weil sie nicht alt und schon halb tot wie Mrs Versy war.
»Mein Gott«, entfuhr es Roarke.
»Ja. Ich hatte mich die ganze Zeit gefragt, ob es vorher schon andere Opfer gab.« Dann fuhr Eve mit der Lektüre fort.
Sie hat sich wie ein Baby für mich ins Bett gelegt. Ich habe dabei zugesehen, wie sie den Tee getrunken hat. Das war der beste Teil. Sie hat ihn getrunken, wie ich es ihr gesagt habe, und dann habe ich gewartet, bis sie eingeschlafen ist. Ich habe die leere Flasche einfach auf der Decke liegen lassen, damit Daddy sie dort findet, wenn er in ein paar Stunden nach Hause kommt. Dann werde ich furchtbar weinen. Ich habe vor dem Spiegel geübt und bin wirklich gut! Alle werden mich fürchterlich bedauern und mir alles geben, was ich will. Alle werden denken, meine Mutter hätte diesen idiotischen Mr Foster und diesen ekelhaften Mr Williams umgebracht. Was für eine Tragödie! Ich lache mich noch tot.
Jetzt werde ich ein bisschen malen und Musik hören. Ich werde einfach in meinem Zimmer sein, wenn Daddy nach Hause kommt. Sein allerbestes Mädchen, das mucksmäuschenstill an seinem Schreibtisch sitzt, damit seine Mutter schlafen kann. Und schlafen und schlafen.
Jetzt muss ich dieses Buch in den Recycler werfen. Das ist wirklich ärgerlich, und auch das ist Lieutenant Dallas' Schuld. Aber, es ist okay. Daddy wird mir ein neues Tagebuch kaufen, ein noch viel schöneres. Jetzt wird er mir alles kaufen, was ich haben will, und mich überallhin mitnehmen, wohin ich will.
Ich denke, wir sollten irgendwo hinfliegen, wo es warm und schön ist, an irgendeinen wirklich hübschen Strand.
Roarke schwieg einen Augenblick.
»Sie hat das geschrieben, während ihre Mutter ihrer Meinung nach tot oder sterbend im Nebenzimmer lag«, stellte er schließlich mit rauer Stimme fest.
»Oh ja.«
»Sie sollte ihre Zeit nicht mit Kunst oder Ballett vergeuden, sondern überlegen, ob sie nicht als Profikillerin ihr Geld verdienen will. Die Konstitution dafür hat sie auf jeden Fall.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie jede Menge Zeit bekommt, um über ihre Möglichkeiten nachzudenken - in einem Hochsicherheitsknast.« Sie blickte wieder auf das Buch und die ordentliche Kinderschrift. »Lass uns die Seiten kopieren. Ich will, dass Mira und Whitney sie so schnell wie möglich sehen. Und dann lese ich den Rest.«
Es war alles da, sorgfältig dokumentiert: die Motive, die Pläne, die Mittel, die Gelegenheiten und die Ausführung. Rayleen hatte nicht an Details gespart.
Wäre dies das Tagebuch einer erwachsenen Mörderin gewesen, hätte Eve ihre Ermittlungen umgehend abgeschlossen und die Festnahme der Täterin organisiert.
Wie aber behandelte man eine derart junge Mörderin, deren Vater obendrein einer der
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