Sanft kommt der Tod
etwa ein, ich hätte ihn vergessen? Es geht nicht darum, wie sehr ich ihn geliebt habe, sondern wie sehr ich ihn noch immer liebe.« Er sprang auf, zog eine kleine Ledermappe aus der Jackentasche und hielt sie ihr hin. »Ist dies eins der wichtigen Details, die Sie noch brauchen, Lieutenant?«, fragte er. »Also dann, hier. Hier. Hier bewahre ich ihn auf. Sehen Sie sich das Gesichtchen an.«
Er hielt ihr die Mappe mit dem Schnappschuss eines lächelnden kleinen Jungen hin. »Er war der süßeste kleine Kerl, den man sich vorstellen kann. Immer hat er gestrahlt. Man konnte nicht mit Trev zusammen sein, ohne selbst zu strahlen. Egal, wie schlimm der Tag auch war, fünf Minuten mit ihm zusammen, und alles war wieder gut. Der Tag, an dem er ... der Tag, an dem wir ihn verloren haben, war bis heute der schlimmste Tag in meinem Leben. Ist es das, was Sie hören müssen?«
»Ja. Ich habe eine schlimme Mitteilung für Sie. Etwas, was man keinem Menschen jemals sagen müssen sollte. Ich möchte, dass Sie sich daran erinnern, was Sie für Ihre Frau und Ihren Sohn empfinden, wenn Sie das hier lesen.« Sie hielt ihm Ausdrucke der letzten Seiten aus dem Tagebuch von seiner Tochter hin.
»Was ist das?«
»Ich glaube, dass Sie die Schrift erkennen. Und ich glaube, dass Sie wissen, was das ist. Ich zeige Ihnen diese Seiten ihretwegen.« Sie nickte in Richtung seiner Frau. »Und weil ich die Fotos von Ihrem Sohn gesehen habe. Ich habe sein Bild im Kopf.«
Wodurch Trevor auch ihr gehörte, dachte Eve. Genau wie Craig Foster und sogar der Widerling Reed Williams gehörte Trevor ihr.
Straffo nahm die Blätter und überflog die erste Zeile. »Das ist die Handschrift von Rayleen. Aus ihrem Tagebuch? Was ...«
»Den letzten Eintrag hat sie geschrieben, bevor sie das Tagebuch mitsamt seiner Schatulle in den Recycler in Ihrer Küche geworfen hat. Das Datum steht oben auf dem Rand. Sie sollten diese Seiten lesen.«
Während er es tat, wich ihm alle Farbe aus dem Gesicht, seine Hände fingen an zu zittern, und er stieß mit rauer Stimme aus: »Das kann einfach nicht sein.«
»Irgendwo in Ihrem tiefsten Inneren wissen Sie, dass es so ist. Ihre Frau hat es gewusst, und trotz ihrer Trauer und ihres Entsetzens hat sie sich bemüht, Rayleen zu beschützen. Rayleen hat ihr das angetan, um sich selbst zu schützen, um den Verdacht auf ihre Mutter umzulenken, und damit sie Sie in Zukunft ganz für sich alleine hat.«
»Nein.«
»Es gibt noch andere Einträge. Darin schildert sie ausführlich, wie sie Foster und Williams getötet hat. Und auch eine Frau mit Namen Versy im Kinley-Pflegeheim.«
»Nein. Nein. Sie sind vollkommen verrückt.« Er schwankte wie ein Mann, dessen gesamte Welt urplötzlich aus dem Gleichgewicht geraten war. »Ich werde gleich verrückt.«
Mach weiter, dachte Eve. Denn sie hatte keine andere Wahl. »Was nicht in dem Tagebuch steht, weil sie es erst vor sieben Monaten bekommen hat, ist, wie sie Ihren Sohn getötet hat.«
Jetzt wich sogar der graue Ton aus seinem Gesicht. »Das ist völlig krank.«
»Sie beide wussten, dass Rayleen schon eine Zeitlang wach gewesen war, bevor sie Sie geweckt hat.«
»Sie ...«
»Trotzdem beschlossen Sie, dass es ein Unfall gewesen war - welche Eltern täten das wohl nicht? Dass er gestolpert war und sie unter Schock gestanden und deshalb alles geleugnet hat. Sie haben sämtliche Erinnerungen an ihn aus dem Haus verbannt, weil sie sich aufgeregt hat, wenn sie sie gesehen hat. Vor allem, wenn Sie oder ihre Mutter vor einem der Bilder gestanden und es angesehen haben. Stimmt's?«
»Um Gottes willen. Sie war damals sieben Jahre alt. Sie können doch wohl unmöglich glauben ...«
»Doch, ich kann. Sehen Sie sich Ihre Frau an, Oliver. Hat sie das, was ihr angetan wurde, verdient? Und sehen Sie sich auch das Foto Ihres Sohns noch einmal an.
Hatte er es vielleicht verdient, dass sie ihn die Treppe hinuntergestoßen hat? Sie hat, ohne mit der Wimper zu zucken, die Leben dieser Menschen ausgelöscht oder auszulöschen versucht. Ich habe handfeste Beweise gegen sie, darunter den Kauf einer Thermoskanne, in die sie Craig Fosters Namen eingravieren lassen hat.«
»Was? Was?« Er packte dicke Strähnen seines Haars und riss daran herum.
»Ich habe eine Zeugin«, fuhr Eve unbarmherzig fort. »Die Angestellte, die Rayleen bedient hat. Sie hat sie bereits anhand von ihrem Foto identifiziert. Cora kann bestätigen, dass sie an dem fraglichen Tag auf Rayleens Bitte hin mit ihr in diesem
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