Sanft sollst du brennen
Der Fahrer des anderen Autos machte eine obszöne Geste, als er vorbeifuhr.
Vor ein paar Jahren war das große Haus in drei geräumige Wohnungen umgewandelt worden, eine in jeder Etage. Jordans Wohnung befand sich im obersten Stockwerk. Kate hatte schon während des Studiums hier mit ihr zusammengewohnt und war an die knarrende Treppe und die schmalen Flure gewöhnt.
Jordan hatte ein Vermögen verdient mit einem Computerchip, den sie designt hatte, und sie hätte sich eine ganz andere Wohnung leisten können, aber wie Kate war sie ein Gewohnheitstier. Sie liebte ihre alte, schäbige Wohnung und hatte nicht die Absicht, woanders hinzuziehen.
Auch Kate fühlte sich wohl. Selbst an den kältesten Tagen war die Wohnung warm und einladend. Es roch immer sauber und frisch, zumal Jordan als loyale Freundin auf fast jedem Tisch Kates Duftkerzen stehen hatte. In beiden Badezimmern und auch auf den Nachttischen standen Kates Körperlotionen.
Es gab drei Schlafzimmer. Das Gästezimmer befand sich am Ende der lang gezogenen Diele und war so groß, dass ein Doppelbett darin Platz fand. Zwei von Jordans Brüdern hatten es gekauft, damit sie bei ihr übernachten konnten, wenn sie in der Stadt waren. Zum Haus ihrer Eltern in Nathans Bay brauchte man je nach Verkehr um die zwei Stunden.
Das dritte Schlafzimmer war in ein Arbeitszimmer umgewandelt worden. Bücherregale säumten alle vier Wände, und die Regalbretter wölbten sich unter dem Gewicht von Jordans Büchern. Das Büro öffnete sich auf einer Seite zum Esszimmer und auf der anderen zum Flur.
Bunte Orientteppiche lagen auf den dunklen Dielenböden, und vor den riesigen Fenstern hingen Holzjalousien. Einer von Kates Lieblingsplätzen war die Fensterbank im Wohnzimmer, von der aus man über den Fluss blickte.
Der einzige sterile Raum in der ganzen Wohnung war die kleine Küche. Jordan kochte nicht. Sie ging entweder essen oder aß Fertiggerichte. Was sie nicht in der Mikrowelle zubereiten konnte, kaufte sie nicht.
Kate ging sofort ins Gästezimmer und stellte ihre Reisetasche neben das Bett. Dann ging sie durch das Arbeitszimmer ins Esszimmer. Jordans Schreibtisch war übersät mit Papieren, ungewöhnlich für eine sonst so ordentliche Frau. Abgesehen von ihrem Computer, einem Stapel Haftnotizen, ein oder zwei Kugelschreibern und einem Telefon sah ihr Arbeitsbereich für gewöhnlich so steril aus wie ihre Küchentheke.
Als Jordan ins Büro kam und sah, dass Kate ihren Schreibtisch betrachtete, sagte sie: »Das reinste Chaos, was?«
»Für deine Verhältnisse schon«, antwortete Kate. »Normalerweise ist dein Schreibtisch immer so aufgeräumt. Aber wahrscheinlich hattest du in der letzten Zeit eine Menge Stress, und da ist das bisschen Papier wohl deine kleinste Sorge.«
»Das meiste sind juristische Dokumente. Ich habe eine Klage am Hals.«
Damit drehte sie sich um und ging ins Wohnzimmer. Kate lief hinter ihr her.
»Eine Klage?«
»Ja, genau«, erwiderte Jordan leichthin und warf sich in einen Sessel.
Kate verschränkte die Arme und wartete auf eine Erklärung. »Wieso bist du verklagt worden? Und warum gehst du so ruhig damit um?«, fragte sie schließlich.
»Aufregung würde mir kaum etwas nützen«, erwiderte Jordan. Sie schlüpfte aus ihren Sandalen und lehnte sich zurück. »Ein Mann namens Willard Bell hat mich verklagt. Er scheint der Meinung zu sein, er habe meinen Chip entworfen und ich hätte ihm das Design gestohlen.«
Kate setzte sich ihr gegenüber und legte ihre Füße auf den Hocker. »Bist du ihm jemals begegnet?«
»Nein. Er lebt in Seattle«, erwiderte Jordan. »Mein Anwalt hat mir gesagt, Bell sei ein Computerfreak, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, dass er andere Leute verklagt. Es scheint eine Menge Geld einzubringen«, fuhr sie fort. »Er ist zwar so gut wie nie im Recht, aber meistens ist es billiger, mit ihm einen Vergleich zu schließen, als die Kostens des Verfahrens zu bezahlen.«
»Was willst du tun?«
Jordan blickte sie empört an. »Das fragst du noch? Du kennst mich schließlich besser als jeder andere.«
»Du wirst keinen Vergleich schließen. Aber ich wette, dein Anwalt hat es dir vorgeschlagen, oder?«
»Ja, da hast du recht. Aber ich lasse mich nicht darauf ein. Mir ist egal, was es kostet. Was Bell tut, ist falsch, und von mir bekommt er keinen Pfennig. Sein Anwalt spielt auf die harte Tour«, fügte sie hinzu. »Er hat alle meine Konten eingefroren, deshalb kann ich eine Zeit lang nicht an mein Geld. Aber bald
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