Sanft sollst du brennen
rankte sich fast bis zum Dach hoch, und aus dem gepflasterten Weg, der zur Eingangstür führte, waren Steine herausgebrochen.
»Gibt es dort drin Gefängniszellen?«, fragte er.
»Ich glaube schon, entweder hinten oder oben.«
Die Haustür war erst kürzlich gestrichen worden, glänzend schwarz mit weißen Fensterläden. So eine Polizeiwache hatte er noch nie gesehen.
»Das Haus sieht eher nach einer netten Frühstückspension aus.«
Drinnen jedoch befand er sich auf vertrautem Terrain. Die Böden waren aus hässlichem grauem Linoleum, die Wände schmutzig erbsengrün, und die Polizistin am Empfang war genauso alt und unfreundlich wie bei ihnen in Boston. Es roch sogar genauso. Er liebte es.
Chief Drummond kam aus seinem Büro, um sie zu begrüßen. Er war ein untersetzter Mann mit finsterem Gesicht und einem Händedruck wie ein Schraubstock, bot Kate eine Tasse Kaffee an und bat sie, im Vorraum zu warten.
Kate setzte sich auf die grauen Metallstühle, die an der Wand standen, und zog ihr Handy aus der Tasche. Haley hatte wieder angerufen, wahrscheinlich wegen der Bänder, die sie nachbestellen musste, dachte sie. Aber jetzt konnte sie sowieso nichts für sie tun, deshalb beschloss sie, sie vom Auto aus anzurufen.
Wenn sie die Aktenmappe dabeigehabt hätte, hätte sie die anderen Unterlagen durcharbeiten können. Hatte sie sie zu Hause gelassen, oder hatte Dylan sie in den Kofferraum gepackt?
Der Stuhl war hart und unbequem. Kate lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und übte sich in Geduld. Warum dauerte das denn so lange? Dylan war seit mindestens einer Viertelstunde in Drummonds Büro. Sie stellte fest, dass die Polizistin am Empfang ihr wiederholt Blicke zuwarf.
Unwillkürlich überprüfte Kate, ob mit ihrer äußeren Erscheinung alles in Ordnung war. Schließlich sagte die Frau: »Ich mag Ihre Kerzen.«
»Danke«, erwiderte Kate. »Das freut mich.«
Die Polizistin errötete. »Ich wollte mir auch schon Ihre Körperlotion kaufen, kann mich aber nicht für einen Duft entscheiden. Können Sie mir etwas empfehlen?«
»Warten Sie, ich schaue mal nach, ob ich Proben dabeihabe.« Kate kramte in ihrer Tasche und fand drei. »Probieren Sie es aus«, sagte sie. »Es sind unterschiedliche Duftnoten: Isabel, Kiera und Leah.«
Die Frau freute sich. Sie stellte sich vor und schüttelte Kate die Hand. »Sie sind eine ziemliche Berühmtheit«, sagte sie.
»Ach ja?«, erwiderte Kate lächelnd. »Wegen meiner Kerzen?«
»Oh nein. Die sind natürlich auch hübsch, aber Sie sind berühmt, weil Sie sich mit dem alten Lagerhaus beinahe selbst in die Luft gesprengt hätten.«
Es klang so, als hätte Kate das absichtlich getan. Kate wollte gerade etwas erwidern, als die Tür aufging und Dylan und der Chief aus dem Büro traten. Sofort fiel ihr die Pistole auf, die Dylan in einem Holster an der Seite trug. Er hielt eine Schachtel in der Hand.
Vermutlich zusätzliche Munition, dachte sie. Davon kann man wohl nicht genug haben.
»Bei dem Jungen sind Sie in guten Händen, Miss MacKenna. Er hat eine beeindruckende Laufbahn hinter sich, und sein Vorgesetzter in Boston war mächtig betrübt, dass er für uns arbeiten will. Er hat zwar zugestimmt, aber nur für eine gewisse Zeitspanne. Sie wollen ihn zurückhaben«, fügte er nickend hinzu.
Kate konnte ihren Blick nicht von der Pistole wenden. Sie sah Dylan vor sich, wie er im Krankenhausbett gelegen hatte. Ihr war klar, dass er in seinem Job eine Waffe tragen musste, aber alleine der Anblick verursachte ihr Übelkeit. Sie lächelte den Chief an und sagte: »Ja, ich bin bei diesem Jungen in guten Händen.«
Drummond brachte sie zur Tür und hielt sie auf. »Und versuchen Sie, nicht wieder in die Luft zu fliegen, Miss MacKenna.«
»Die Leute hier scheinen mich für eine wandelnde Bombe zu halten«, beklagte sich Kate bei Dylan, als sie zum Auto gingen.
Dylan lachte.
»Ich glaube, du hast das Leben in Silver Springs ziemlich aufregend gemacht.«
Als sie losfuhren, fragte er: »In welche Richtung müssen wir fahren?«
»Der direkte Weg zum Highway führt über die Main Street. Dann müsstest du jetzt links abbiegen, aber um diese Zeit herrscht viel Verkehr dort.«
»Im Vergleich zu Boston ist das gar nichts«, sagte er kurz darauf. »Und der Geräuschpegel ist auch viel niedriger. Das gefällt mir.«
Kate stellte das Gebläse so ein, dass es ihr nicht ins Gesicht pustete, und fragte: »Wie fandest du Chief Drummond?«
»Mürrisch«, sagte er. »Der
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