Sanft sollst du brennen
den nächsten Tag.
»Was haben Sie über das Video herausgefunden?«, fragte Dylan Nate. »Haben Sie eine Ahnung, wo es aufgenommen worden ist?«
»Nein. Wir wissen lediglich, dass die DVD und die Fotos mit Boten zur Kanzlei geschickt worden sind. Anderson Smith hat behauptet, niemand hätte von dem Video gewusst, bis es auf seinem Schreibtisch lag.«
»Irgendjemand muss davon gewusst haben«, beharrte Dylan. »Compton hat häufig über die Kameralinse hinausgeblickt. Offensichtlich war noch jemand im Raum. Was ist mit Dienstboten, Personal?«
»Nein. Wir haben niemanden gefunden, der etwas davon wusste.«
Dylan blickte zu Kate, der immer wieder die Augen zufielen.
»Kate, du kannst ruhig zu Bett gehen«, sagte er. »Wir sind fast fertig.«
Nur zu gerne befolgte sie seinen Rat. Es war ein langer Tag gewesen. Sie schlüpfte in ihren Pyjama, und kurz darauf hörte sie, wie Nate und Drummond gingen.
Sie war zwar müde, beschloss jedoch, Isabel noch kurz anzurufen, bevor sie zu Bett ging. Überraschenderweise nahm Isabel schon beim ersten Klingeln den Hörer ab. Kate sagte Hallo, und mehr brachte sie in der nächsten Viertelstunde nicht heraus. Isabel fragte nicht ein einziges Mal nach der Testamentseröffnung, sondern schien nur an ihrem gesellschaftlichen Leben interessiert. Kate musste sie daran erinnern, dass sie zum Studieren dort war, aber trotzdem fühlte sie sich erleichtert, dass es Isabel so gut gefiel und dass sie in Sicherheit war.
»Hast du etwas von Reece Crowell gehört?«, frage sie ihre Schwester.
»Er müsste noch in Europa sein, aber keine Sorge, wenn er mich nach seiner Rückkehr wieder belästigt, komme ich damit schon klar«, erwiderte Isabel und wechselte zu einem Thema, das ihr interessanter erschien.
Während Kate ihr zuhörte, wie sie den jungen Mann beschrieb, der im Soziologiekurs neben ihr saß, klopfte jemand auf der anderen Leitung an. Vielleicht war es wichtig. Kate unterbrach ihre Schwester.
»Isabel«, sagte sie, »ich bekomme gerade einen anderen Anruf und muss jetzt auflegen. Pass gut auf dich auf, ja?«
Als sie umschaltete, war sie überrascht.
»Kate, hier spricht Vanessa MacKenna.«
»Vanessa, hallo, was kann ich für Sie tun?«, erwiderte Kate nach einer kleinen Schrecksekunde.
»Anderson hat mich angerufen und mir gesagt, wie sehr Sie sich über diese Fotos von Ihrem Vater gefreut haben«, sagte sie. »Er hat mich gefragt, ob ich in Comptons – beziehungsweise meinem – Haus nicht nachschauen könnte, ob es noch mehr gibt. Auf dem Speicher stehen jede Menge Kisten, und ich habe schon einmal angefangen aufzuräumen. Und dabei habe ich eine Kiste mit Sachen gefunden, die wohl Ihrem Vater gehört haben. Fotos, Trophäen, Schulzeugnisse und so. Ich packe alles zusammen und schicke es Ihnen. Oder ich bringe es bei Anderson in der Kanzlei vorbei. Und ich suche noch weiter«, versprach sie. »Ich bin im Moment im Haus, weil Bryce gestern Abend wieder ins Krankenhaus gekommen ist, und von hier aus ist es näher. Wenn es Sie interessiert, können Sie gerne vorbeikommen und sich das alte Haus anschauen.«
»Ja, gerne«, erwiderte Kate.
»Sagen Sie mir einfach vorher Bescheid. Vielleicht nächste Woche oder die Woche danach? Ich möchte Sie gerne näher kennenlernen, Kate. Sie sind so … so erfrischend anders als Bryce und seine Brüder.«
Kate empfand leise Gewissenbisse, als sie den Hörer auflegte. Sie hatte Vanessa gar nicht gefragt, wie ernst Bryce’ Zustand war, aber eigentlich wäre es auch heuchlerisch gewesen, Mitgefühl zu äußern.
Nachdenklich saß sie, den Hörer immer noch in der Hand, im Schneidersitz auf dem Bett.
»Vanessa MacKenna hat gerade angerufen«, sagte sie. »Sie hat mich in Comptons Haus eingeladen. Sie meinte, sie hätte ein paar Dinge gefunden, die meinem Vater gehört haben.«
Dylan runzelte die Stirn.
»Du wirst weder diesem Haus noch einem von den Savannah-MacKennas zu nahe kommen, solange wir nicht die Person gefunden haben, die dich umbringen will«, erklärte er.
»Nein, natürlich nicht«, versicherte sie ihm. »Ich habe übrigens auch mit Isabel gesprochen. Sie scheint glücklich zu sein. Allerdings habe ich ihr nicht gesagt, dass du bei mir bist. Sie braucht nicht zu wissen … Du weißt schon …«
»Was wissen?«, fragte er.
»Ich habe ihr gesagt, es sei alles in Ordnung, und wenn sie erfahren hätte, dass du da bist, hätte sie nur unnötige Fragen gestellt. Was machst du?«
»Wonach sieht es denn aus? Ich ziehe mich
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