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Sanft wie der Abendwind

Sanft wie der Abendwind

Titel: Sanft wie der Abendwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Spencer
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Abend hier geschehen ist. Wenn du Hugo gestehst, dass du dich eines Vertrauensbruchs schuldig gemacht hast, gefährdest du eure gute Beziehung.“
    „Ich muss es ihm sagen!“
    „Nein.“ Heftig schüttelte sie den Kopf, die Tränen machten sie beinah blind. „Das würde ihn nur unnötig belasten. Es genügt, dass ich endlich die Wahrheit kenne.“
    „Ich kann dir nicht versprechen, mich an deinen Rat zu halten, Lily.“
    „Das solltest du aber“, rief sie und eilte in den Flur. „Wenn du dir wirklich so viel aus Hugo machst, wie du behauptest, dann beschwichtige nicht deine Schuldgefühle auf seine Kosten!“
    Auf dem Treppenabsatz holte Sebastian sie ein und hielt sie fest. „Wohin willst du?“
    „Irgendwohin, Hauptsache, weg von dir.“
    „Oh nein! Man hat uns sicher schon vermisst. Wenn du keinen Verdacht erregen willst, musst du mit mir gemeinsam wieder auf der Bildfläche erscheinen und so tun, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen. Falls uns jemand fragt, behaupten wir, wir wären am Fluss spazieren gegangen.“
    Nein, das würde sie niemals schaffen! Wie sollte sie vortäuschen, dass es ihr gut gehe, wenn sie das Gefühl hatte, Sebastian hätte ihr Herz mit Füßen getreten?
    „Du bist für die Szene nicht richtig kostümiert“, erwiderte sie sarkastisch und schob seine Hand weg. „Außerdem bin ich durchaus allein fähig, mir Lügen auszudenken, um meine vorübergehende Abwesenheit zu erklären.“
    „Ja, aber du siehst grässlich aus“, erwiderte Sebastian schonungslos. „So könntest du nicht einmal ein Kind täuschen, geschweige denn Hugo.“ Er führte sie den Flur entlang und schob sie in einen kleinen Waschraum. „Wasch dir wenigstens das Gesicht, und steck dir das Haar wieder auf, während ich mich anziehe. Es dauert nur einige Minuten.“
    Lily betrachtete sich entsetzt im Spiegel. Sie sah völlig aufgelöst aus: Wirr hing ihr das Haar ums Gesicht, ein Ohrring fehlte, und Lippenstift und Wimperntusche waren verschmiert. Ja, jeder würde sofort wissen, was sie in der letzten Stunde getrieben hatte – und dass es ihr nur Kummer gebracht hatte.
    Irgendwie schaffte sie es, die schlimmsten Schäden zu reparieren, obwohl man ihr bei genauerem Hinsehen noch anmerkte, dass sie geweint hatte. Da sie sich das Haar nicht wieder ordentlich hochstecken konnte, ließ sie es offen und bürstete es nur gründlich.
    Als sie aus dem Waschraum kam, wartete Sebastian schon auf sie. Er sah so kühl und gelassen aus, als hätte er den ganzen Abend damit verbracht, Gesetzestexte in Hugos Bibliothek zu studieren.
    „Fertig?“, fragte er.
    „Nein, ich vermisse einen Ohrring.“ Sie ließ suchend den Blick über den Boden vor dem Fenster gleiten. „Ich muss ihn irgendwo hier verloren haben, aber ich sehe ihn nirgends.“
    „Ich suche ihn später. Dass er weg ist, merkt ohnehin keiner, weil du das Haar jetzt offen trägst.“
    Er betrachtete sie prüfend. „Du siehst zwar nicht so gut wie neu aus, aber die Leute, auf die es ankommt, lassen sich bestimmt täuschen.“
    Er führte sie nach unten, dann hinten um die Stallungen herum zu einem Weg, der sich am Fluss entlang hinzog.
    „Damit unsere Geschichte überzeugender klingt, falls uns jemand fragt“, erklärte Sebastian und hakte sie unter. „Und lächle, um Himmels willen! Du siehst aus, als hättest du gerade deine beste Freundin verloren und nicht bloß einen Ohrring.“
    „Meine Mutter war meine beste Freundin. Jetzt weiß ich, dank dir, dass sie nicht die war, die sie zu sein vorgab.“
    „Ich wollte es dir ja ersparen, aber du hast darauf bestanden, alles zu erfahren.“
    „Ich bin nicht in der Stimmung für ‚ich habe es dir ja gesagt‘, Sebastian.“
    „Das wäre ich an deiner Stelle bestimmt auch nicht“, erwiderte er nachdenklich. „Tröstet es dich, wenn ich dir sage, dass es mir kein bisschen Freude oder Befriedigung verschafft hat, dich aufzuklären, und dass ich wünschte, ich hätte dir Besseres erzählen können?“
    „Nicht sehr. Es ändert ja nichts.“
    Sie gingen um einige Rhododendren herum und gelangten auf den unteren Rasen. Die meisten Gäste hatten sich inzwischen hierher begeben, nur wenige saßen noch an den Tischen auf der Terrasse.
    „Verdammt“, fluchte Sebastian halblaut, als alle zu ihnen sahen. „Ich hatte gehofft, wir könnten uns unauffällig unter die Feiernden mischen, stattdessen legen wir hier einen bühnenreifen Auftritt hin. Lächle, Lily, und überlass mir das Reden!“
    Sie konnte

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