Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
beschützte. Und Josh konnte sie sich von allen Männern am wenigsten als Ritter in strahlender Rüstung vorstellen.
»Ja …«, sagte er zaghaft, als traute er seinen Ohren nicht.
»Deshalb meine ich, du würdest nur das Beste für sie wollen, und, weißt du, wenn du sie aufforderst, sich nachts aus dem Haus zu schleichen und mit dir zum Schauplatz eines Verbrechens zu fahren, um dort zu trinken und Drogen zu nehmen … das ist nicht unbedingt das Beste.« Sie gab sich größte Mühe, nicht sarkastisch zu werden, aber es gelang ihr nicht ganz.
»Wir haben nichts Schlimmes getan«, behauptete er, bemerkte ihren warnenden Blick und änderte seine Taktik. »Wir wollten nur ein bisschen Spaß haben.«
»Ich weiß.« Wie sie es sagte, klang es, als ob sie ihm glaubte. Joshs Probleme waren sein Mangel an Vorstellungskraft, die Tatsache, dass er aus einer Familie kam, die sich einen Dreck um ihn scherte, und die Langeweile angesichts der Aussichten für sein weiteres Leben. Auch wenn er anscheinend nicht über das Ortsschild dieser Kleinstand hinausblicken konnte. »Aber das war die Sorte Spaß, die gefährlich werden kann oder bei der ihr das Risiko eingeht, verhaftet zu werden – und das ist nicht zu Cassies Bestem. Auch nicht zu deinem Besten. Hör zu, ich will ganz ehrlich sein, ja? Ich war wirklich wütend auf Cassie und dich, aber ich bemühe mich, nicht das Kind mit dem Bad auszuschütten und etwas zu tun, was wir alle bereuen würden.«
Er hob wieder den Blick, und sie sah ihm fest in die Augen, vergewisserte sich, dass er verstand, was sie verlangte, und dass sich hinter ihren verständnisvollen Worten eine Drohung verbarg. Josh sollte wissen, dass sie am längeren Hebel saß und sich dessen bewusst war. »Lass uns also versuchen, miteinander zurechtzukommen. Komm zu uns nach Hause. Besuche Cass. Führ sie aus, aber nicht mehr heimlich, okay? Es ist einfach zu gefährlich, und ich bin sicher, das Letzte, was du dir wünschst, wäre, Cassies Sicherheit und Wohlergehen zu gefährden.«
»Ja … aber …«
»Pizza für Hughes«, rief das Mädchen hinter dem Tresen, und Jenna erhob sich rasch.
»Danke, Josh«, sagte sie und ließ ihre kaum angerührte Cola und einen verdutzten Josh in der Nische zurück. Sie zwang sich für Joshs zwei Freunde zu einem Lächeln, das eines Oscars würdig gewesen wäre, nahm den Pizzakarton entgegen und verließ das Lokal.
Nun, sie hatte eine Konfrontation mit Josh gehabt; die letzte war es bestimmt nicht.
22. Kapitel
W ieder fiel Schnee, und der Wind wirbelte die Flocken vor sich her.
Jenna stieg in ihren Jeep und ließ den Motor an. Als sie rückwärts vom Parkplatz des Martino’s fuhr, warf sie noch einmal einen Blick in das Fenster der Pizzeria. Alle drei Jungen starrten durch das kalte, vereiste Glas zu ihr heraus. Kein Wunder, dass sie förmlich gespürt hatte, wie ihre Blicke sich ihr in den Rücken bohrten.
Mit einem Winken und einem aufgesetzten Lächeln fuhr sie davon. »Hormongesteuerte, selbstverliebte Idioten«, murmelte sie vor sich hin, während sie noch immer gekünstelt lächelte, und schalt sich dann selbst für ihre Falschheit. Allerdings war sie schon immer der Meinung gewesen, dass man mit Zucker mehr Fliegen fing als mit Essig, und deshalb ging sie nicht allzu hart mit sich ins Gericht. »Ein Mittel zum Zweck«, redete sie sich ein, und der Zweck war Cassies Sicherheit und Wohlergehen.
Als sie am Gerichtsgebäude vorbeifuhr, einem vor beinahe hundert Jahren errichteten dreistöckigen, gelbbraunen Backsteinbau, sah sie die erhellten Fenster, suchte das von Carters Büro und stellte fest, dass dort noch Licht brannte. Nur wenige Fahrzeuge standen auf dem Parkplatz, unter ihnen auch Carters Chevrolet Blazer. Also arbeitete er noch. Vom Hörensagen wusste sie, dass er quasi rund um die Uhr arbeitete, dass er sich nach dem Tod seiner Frau voll und ganz in die Arbeit gestürzt hatte. Dem Kleinstadtklatsch zufolge war sie in einem ähnlich harten Winter Opfer eines Verkehrsunfalls ohne Fremdbeteiligung geworden, doch Jenna achtete darauf, alle Gerüchte, die sie hörte, mit einer Prise Skepsis aufzunehmen, da sie im Lauf der Jahre immer weiter aufgebauscht wurden.
Sie schaltete die Scheibenwischer ein, denn der Schnee fiel jetzt dicht und stetig. In der Hoffnung, den Wetterbericht hereinzubekommen, drehte sie am Radio und landete stattdessen bei einem statisch knisternden Jimmy-Buffett-Song, der Vorstellungen von heißem Sand, tropischen Stränden
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