Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
gekommen?
Sie wäre dumm, wenn sie abstreiten wollte, dass Shane Carter ein rauer Gesetzeshüter mit großem Sexappeal war, aber was sollte es? Sie brauchte nur einen Blick auf den Stapel Post auf ihrem Küchentisch zu werfen, in dem sich auch der Bußgeldbescheid befand, um zu wissen, was für ein Blödmann Carter sein konnte. Er war tabu. Absolut. Was um alles in der Welt fiel ihr ein, sich Fantasien um diesen Mann hinzugeben? Wusste sie nicht allzu gut, was er von ihr hielt, seit sie in der Kirche mitangehört hatte, wie er sich bei Rinda über sie beklagte? Hatte er nicht angedeutet, dass sie sich seiner Meinung nach für eine Art Hollywoodkönigin hielt?
Ja, aber das war, bevor du ihn kanntest, bevor er anfing, sich um dich und deine Töchter zu sorgen, bevor dir das Lächeln, der Hauch von Freundlichkeit in seinen Augen aufgefallen ist. Gib’s zu, du bist drauf und dran, dich in den Mann zu verlieben.
»Ach, völlig ausgeschlossen!«, sagte sie laut.
»Was ist ausgeschlossen?«, fragte Cassie.
»Nichts. Ich … ich war nur gerade völlig in Gedanken versunken.« Sie sah noch einmal aus dem Fenster und stellte fest, dass Jake inzwischen sämtliches Gepäck in die Wohnung getragen hatte und nun zum Tor ging. Er hatte erwähnt, er wolle das Tor und die Alarmanlage überprüfen und dann den Grenzzaun abschreiten, um sich einen Überblick über das Grundstück zu verschaffen.
Danach hätte er vielleicht noch ein paar neue Vorschläge.
Sie war bereit, sie anzuhören.
Noch immer empfand sie ein gewisses Unbehagen, wann immer sie ihr Schlafzimmers betrat. Wie hatte ein Eindringling hinein- und wieder herausschlüpfen können, um den beängstigenden Brief zu deponieren? Wie oft war er schon in ihrem Haus gewesen? In ihrem Schlafzimmer? Hatte er in ihrer Abwesenheit auf ihrem Bett gesessen? Sich in ihr Bett gelegt? Sich vorgestellt, mit ihr zusammen zu sein? Sich selbst befriedigt, während er das Bild von ihr und ihren Töchtern auf dem Schreibtisch betrachtete?
»Mom? Ist alles in Ordnung?« Cassies Stimme riss Jenna abrupt in die Gegenwart zurück. Cassie starrte sie an, als sei etwas nicht in Ordnung, und plötzlich wurde Jenna bewusst, dass sie am Küchentresen lehnte und sich die verschränkten Arme kratzte. Sie hatte es nicht einmal bemerkt. »Du flippst doch wohl nicht aus, oder?«
»Ach wo!« Jenna lächelte gezwungen und log, ohne rot zu werden. »Ich denke nur gerade an unser Theaterstück. Morgen Abend haben wir wieder Probe, und die letzte war eine Katastrophe. Die nächste mussten wir wegen des Wetters ausfallen lassen, aber« – sie blickte nach draußen auf die grauen Wolken – »es soll ja über Nacht aufklaren. Das bedeutet für dich, dass du morgen wieder zur Schule musst …«
Cassie stöhnte theatralisch auf.
»… und für mich, dass mir wieder eine nervtötende Probe für Ist das Leben nicht schön? bevorsteht. Komm, wir suchen deine Schwester und fragen sie, was sie zu Mittag essen möchte.«
»Lass mich raten. Käse-Makkaroni, Chicken Nuggets oder Pizza.«
»Oder Nachos«, ergänzte Jenna, froh über den Themenwechsel. »Später kannst du mir helfen, die Außenbeleuchtung anzubringen.« Sie warf einen Blick auf das Durcheinander in einer Ecke des Arbeitszimmers. Weihnachtsbeleuchtung, Girlanden, Schleifen und Deko-Teile lugten aus den Kisten hervor.
»Kann Hans das nicht machen? Oder der Neue – Turnquist?«
Jenna lachte leise. »Ich glaube nicht, dass das in seinen Aufgabenbereich fällt. Du selbst hast doch davon geschwärmt, wie Familien gemeinsam Weihnachten begehen, oder? Plätzchen backen? Weihnachtslieder singen? Nun, wir fangen mit der Beleuchtung an. Das ist der Beginn einer neuen Tradition.«
»Toll.« Cassie stieß einen Seufzer aus. »Warum habe ich bloß nicht meinen großen Mund gehalten?«
»Weil du vom Geist der Weihnacht erfüllt bist.«
»Oh, verschone mich«, flüsterte sie, lachte aber dann – und Jenna fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr, sicher nicht, seitdem sie den Brief in ihrem Schlafzimmer gefunden hatte.
Zwei Tage nach dem Unfall fuhr Carter in die Stadt. Unterwegs kam er an der Fichte vorbei, gegen die Roxie mit ihrem Kleinwagen geprallt war. Seit das verlassene Autowrack entdeckt worden war, hatte niemand von ihr gehört. Auch die Suchtrupps hatten keinen Hinweis darauf gefunden, was mit ihr geschehen war. Der Baum hatte eine böse Schramme davongetragen; die Rinde war abgerissen, das nackte Holz jetzt mit Raureif
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