Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
anrief. Er hatte ihre Nachricht wohl von unterwegs abgerufen. Daran war nichts Bedenkliches. Lieber Gott, verdächtigte sie denn inzwischen jeden, selbst Travis? »Ich wollte nur fragen, wie die Lage auf den Straßen ist«, log sie, dabei war sie selbst noch vor knapp einer Stunde vom Theater aus nach Hause gefahren.
»Miserabel.«
Sie trank ihren Chardonnay, spähte hinaus in das Schneegestöber und bemerkte kaum sichtbare Heckleuchten auf der Straße. Die feinen Härchen auf ihren Armen richteten sich auf. War es möglich, dass er in diesem Augenblick an ihrem Haus vorüberfuhr und nichts davon erwähnte?
»Bist du irgendwo in der Nähe?«
»Nein. Wieso? Stimmt was nicht?«
Nichts stimmt , dachte sie und sah, wie die Heckleuchten verschwanden. Überhaupt nichts stimmt. »Das Wetter macht mich fertig, sonst ist alles in Ordnung«, log sie erneut.
»Wir treffen uns, wenn es besser wird«, schlug er vor. »Ich ruf dich an.«
»Tu das. Weißt du, ich hätte dich gern mal was gefragt.«
»Schieß los.«
Jenna nahm allen Mut zusammen. »Allie hat sich in den Kopf gesetzt, dass du in einer Art militärischer Elitetruppe warst, in irgendeiner Spezialeinheit.«
»Sagt sie das?«
»Stimmt es?«
»Ja, aber ich spreche nicht gern darüber«, sagte er.
»Sie behauptet außerdem, du seist Privatdetektiv.«
»Teufel auch.« Er seufzte tief. »Dani redet zu viel. Diese Gören. Ja, es stimmt – ich ermittle in Sachen Versicherungsbetrug und helfe Anwälten, Väter aufzuspüren, die sich vor Unterhaltszahlungen drücken, oder Leute, die ihre Rechnungen nicht bezahlen. So was in der Art. Das ist nicht annähernd so aufregend, wie man es im Fernsehen sieht.«
»Und ich dachte, du wärst Rancher.«
»Bin ich auch. Aber ich verdiene mir etwas dazu.«
»Trägst du eine Waffe?«, fragte sie.
»Nur, wenn ich damit rechne, sie zu brauchen. Aber, ja, ich habe einen Waffenschein. Jenna, was sollen diese Fragen?«
»Reine Neugier«, behauptete sie und konnte sich selbst nicht erklären, warum sie sich ihm nicht anvertrauen konnte, warum sie ihm gegenüber plötzlich solches Misstrauen empfand, solchen Wert darauf legte, dass er die Wahrheit nicht erfuhr.
»Hör zu, wenn wir zusammen essen gehen, erzähle ich dir alles über mich, aber ich fürchte, es ist nicht halb so aufregend oder geheimnisvoll, wie meine Tochter es gern darstellt. Hey, jetzt bin ich bei der Babysitterin angekommen. Ich muss Schluss machen.«
»Grüß Dani von mir und schimpf nicht zu sehr mit ihr, weil sie mit dir angegeben hat, okay?«
»Würde ich nie tun«, versprach er, und seine Stimme wurde weicher, als er von seiner Tochter sprach. »Sie ist doch die Vorsitzende meines Fanclubs. Vermutlich auch das einzige Mitglied. Ich melde mich später.«
Er unterbrach die Verbindung, und Jenna blieb mit zwiespältigen Gefühlen zurück. War er der treu sorgende Vater, für den sie ihn bislang gehalten hatte, oder jemand, den sie in Wirklichkeit gar nicht kannte, ein Mann mit einem streng gehüteten Geheimnis?
Ach, Jenna, dreh jetzt nicht völlig durch. Du zuckst vor jedem Schatten zusammen. Travis Settler ist ein feiner Kerl. Das weißt du ganz genau. Vertrau auf deine weibliche Intuition und hör um Himmels willen auf, nach Shane Carter zu schmachten. Der Mann bringt weiß Gott Probleme mit sich!
Sie trat näher ans Fenster. Durch den Schneesturm sah sie eine Bewegung bei den Stallungen, eine dunkle Gestalt. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, doch dann erkannte sie, dass der Mann Turnquist war, der den Zaun um ihr Grundstück abschritt. Wie jeden Abend. Er führte den Kontrollgang zu wechselnden Uhrzeiten durch, manchmal nahm er Critter mit, manchmal trug er seine Nachtsichtbrille. Er überprüfte den Stall, die Schuppen und die Scheune, vergewisserte sich, dass Schlösser, Türen und Fenster in Ordnung waren, und schien kaum jemals zu schlafen. Trotzdem fühlte Jenna sich nicht völlig sicher und fragte sich, ob sie es jemals wieder können würde. Sie verkorkte die Weinflasche und stellte sie in den Kühlschrank, bevor sie mit ihrem fast leeren Glas nach oben ging. Aus dem Bad, wo Cassie duschte, hörte sie über das Wasserrauschen hinweg das Plärren des Radios. Allie lag, den Hund zu ihren Füßen, zusammengerollt auf dem Bett und sah fern. Critter hörte Jenna an der Tür, hob den Kopf und wedelte mit dem Schwanz.
»Alles in Ordnung?«, fragte Jenna und trat ins Zimmer.
Allie zuckte mit den Schultern. »Glaub schon.«
»Tut mir Leid, dass ich
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