Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
persönlich hauste?
»Weil du dramatisierst, oder vielleicht weil du vollends dem Verfolgungswahn erlegen bist«, sagte sie leise. An dem Theatergebäude war nichts Bedrohliches. Absolut nichts! »Du hast zu viele Horrorfilme gesehen.« Sie hatte sich einfach nur in ihre Angst hineingesteigert, das war alles. Oder? Und selbst wenn die alten Holzwände etwas Entsetzliches verbargen, war es in dieser Nacht unbemerkt geblieben, und Sheriff Shane Carter, ein außergewöhnlich attraktiver Gesetzeshüter, war zu ihrer vermeintlichen Rettung herbeigeeilt. Nun fuhr er hinter ihr durch das Schneegestöber. Es hätte schlimmer sein können. Sehr viel schlimmer.
Ohne den Blick von der Straße zu lösen, klappte Jenna ihr Handy auf und versuchte, zu Hause anzurufen. Es bedurfte mehrerer Versuche, da das Handy anscheinend beschädigt worden war, als sie es vorhin hatte fallen lassen. Endlich war die Verbindung hergestellt.
Allie meldete sich. »Hallo?« Über das statische Knistern hinweg war ihre Stimme kaum hörbar.
Kein Grund, um den heißen Brei herumzureden. »Hallo, Schatz. Hör zu, es tut mir Leid, aber dein Rucksack liegt nicht im Jeep, und im Theater war er auch nicht zu finden. Ich habe alles durchsucht.«
»Aber er muss da sein!«
»Vielleicht hast du ihn in der Schule vergessen«, vermutete Jenna und lauschte angestrengt.
»Nein.«
»Oder in Jakes Pick-up oder in deinem Zimmer oder …«
»Mom!«, fiel Allie ihr wütend ins Wort. Ihre Stimme zitterte. »Ich weiß , wo er war. Hinten im Jeep!« Es klang, als sei sie den Tränen nahe, aber möglicherweise trog der Eindruck wegen der schlechten Verbindung.
»Hör zu, mach dir keine Sorgen. Ruf jemanden aus deiner Klasse an und lass dir die Aufgaben am Telefon diktieren, oder falls jemand ein Faxgerät hat, kann er sie dir faxen.«
»Aber nicht, wenn derjenige die Aufgaben schon gelöst hat. Und ich brauche das Buch!«
»Wir reden weiter, wenn ich zu Hause bin. Wenn nötig, rufe ich Mrs Hopfinger morgen früh an.«
»Ich kann dich nicht hören.«
Jenna wiederholte, diesmal beinahe schreiend, was sie gesagt hatte. Allie wollte weitere Einwände vorbringen.
Jennas strapazierter Geduldsfaden riss. »Es reicht jetzt, Allie. Ich habe getan, was ich konnte. Jetzt kannst du meinetwegen schmollen oder wütend werden oder was immer du willst – es nützt doch nichts mehr, oder?«
Ein langes, gekränktes Schweigen folgte. Jenna wartete ab. Begann sich schon zu fragen, ob die Verbindung abgebrochen war. Schließlich, als sie gerade die Aus-Taste drücken wollte, sagte Allie kaum hörbar: »Jake will mit dir reden.«
»Gut.« Jenna bemühte sich, erfreuter zu klingen, als sie war, während sie vor einer roten Ampel bremste. »Gib ihn mir.«
Im nächsten Moment war der Bodyguard in der Leitung.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
»Abgesehen von dem verschwundenen Rucksack und meinem Handy, das den Geist aufzugeben droht, ist alles bestens«, sagte sie und blickte noch einmal in den Rückspiegel. Carters Chevrolet Blazer folgte ihr immer noch. »Hören Sie mich?«
»Kaum.«
»Nun ja, die Kavallerie ist gekommen und hat mich gerettet. Danke.«
»Ich tue nur meine Pflicht«, sagte er, von Störungsgeräuschen unterbrochen.
»Und ich weiß das zu schätzen. Wirklich. In zwanzig Minuten bin ich zu Hause.«
Noch ehe er etwas erwidern konnte, brach die Verbindung vollends ab. »Und du bist ein kleines Miststück«, sagte sie zu ihrem Handy, warf es auf den Beifahrersitz und fuhr, gefolgt von Carter, aus der Stadt hinaus.
Er sah sie gehen.
Eingeschlossen im dunklen Turm, in den Schatten verborgen, richtete er sein Nachtsichtgerät auf sie und beobachtete reglos, wie Jenna Hughes in ihrem Jeep davonfuhr.
Und der verdammte Sheriff folgte ihr.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Polizei auftauchte.
Noch weniger hatte er damit gerechnet, dass Jenna, seine Jenna, ihr Gesicht an das des Bullen schmiegte und den verdammten Scheißkerl auf die Wange küsste. Wut kochte in ihm hoch, und ein Muskel an seinem Auge begann nervös zu zucken. Sie sollte niemanden küssen, mit niemandem reden, mit niemandem lachen.
Mit niemandem außer ihm!
Die Polizei hätte nicht kommen dürfen. Nein!
Das nächste Mal musst du gründlicher planen.
Dennoch, er hätte Jenna trotz des Gesetzeshüters an diesem Abend holen können. Wenn er es gewollt hätte. Wenn ihre Zeit schon gekommen wäre.
Es wäre so einfach gewesen.
Aber übereilt.
Nicht so, wie sein Plan es
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