Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Niemand hatte wirklich Schuld daran, doch zugleich wurden alle am Film Beteiligten beschuldigt. Jenna war ein emotionales Wrack, Robert finanziell nahezu ruiniert. Sie hatten einander die Schuld zugewiesen, und Jenna hatte die Schauspielerei aufgegeben und sich geweigert, das Projekt zu Ende zu bringen, das Jill das Leben gekostet hatte.
Die Presse war völlig aus dem Häuschen. Bilder von Jenna und ihrer Familie erschienen landesweit in den Zeitungen. Die Klatschpresse ging mit einer Verschwörungstheorie hausieren und verbreitete die Vermutung, das Unternehmen, das in einer finanziellen Krise steckte, habe das Budget so weit überzogen, dass der Film von einem der Geldgeber sabotiert wurde, der abspringen und sich mit der Versicherungssumme aus dem Staub machen wollte.
Diese Phase ihres Lebens war in einem grauenhaften Nebel an ihr vorbeigezogen. Sie hatte versucht, sich um der Kinder willen zusammenzureißen, doch ihre Karriere lag in Scherben, ihre ohnehin schon brüchige Ehe stand vor dem Aus, ihre Schuldgefühle ließen ihr keine Ruhe. Alle, die sie kannte, waren wütend und zeigten mit dem Finger auf sie. Einer der bedeutenderen Geldgeber, Paulo Roblez, war ganz besonders verärgert gewesen, ebenso wie Monty Fenderson, Jennas Agent, der, als sie ihre Schauspielkarriere für beendet erklärte, seine einzige hochkarätige Star-Klientin verlor. Er hatte gedroht, sie und Robert und noch einige andere zu verklagen.
Seitdem hasste sie den Winter und die Weihnachtszeit.
Warum bist du dann hierher gezogen, in das Land der kalten Winter, wo die höchsten Berge des Bundesstaats quasi in deinem Garten stehen? Warum gehst du immer noch mit den Mädchen Ski laufen? Um dich selbst zu bestrafen? Oder um deine Ängste und deinen Schmerz zu überwinden?
Eine gute Frage – eine Frage, die in der ein Jahr währenden Therapie nicht hatte beantwortet werden können.
Bis zu diesem Tag wurde Jenna wegen des Verlusts ihrer Schwester von Schuldgefühlen und Schmerz gebeutelt. Jenna war diejenige gewesen, die Jill ins Filmgeschäft geschleust hatte. Jenna, die sich mit der Rolle der Katrina in Innocence Lost , einer Rolle ähnlich der von Brooke Shields in Pretty Baby , in jungen Jahren bereits Ruhm erworben hatte. Von dem Punkt an hatte sie die Rollen selbstbewusster, hartgesottener Heldinnen gespielt und sich in einer Branche Respekt verschafft, die diesen sonst nicht kannte. Jill war bereitwillig in Jennas ruhmreiche Fußstapfen getreten, nur um dadurch ihr Leben zu verlieren.
Es war so sinnlos gewesen, und als Jenna jetzt in die stürmische Nacht hinausblickte, empfand sie wieder die alten nagenden Zweifel, die sie schon seit dem Unfall quälten. Nicht dass es einen Sinn ergab, doch Jenna hatte sich von Anfang an gefragt, ob die Tragödie geplant war, ob der Unfall bei den Dreharbeiten zu White Out womöglich skrupellos inszeniert worden war. Konnte es sein, dass jemand mit Absicht die Lawine zu Tal geschickt hatte? Aber warum? Die polizeilichen Untersuchungen zum Tod ihrer Schwester hatten nichts ergeben, nicht einmal menschliches Versagen, und so wurde die gesamte Katastrophe als Unglücksfall eingestuft. Doch die Gerüchteküche hatte gebrodelt, und hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, der Film sei bewusst sabotiert worden – indem der für eine andere Szene vorgesehene Sprengstoff vorzeitig explodierte, habe jemand einem Film ein Ende gesetzt, der ohnehin sein Budget hoffnungslos überzog. Es wurde sogar behauptet, mit Hilfe des »Unfalls« sei der Film künstlich ins Gespräch gebracht worden, als makabrer Anreiz für die Kinogänger.
Doch Jenna hatte jeglichen Profitspekulationen im Zusammenhang mit dem Tod ihrer Schwester die Spitze abgebrochen, indem sie ihre Karriere aufgab und alles Weitere den Anwälten überließ.
Sie sah zu, wie Jake mit einiger Kraftanstrengung das Tor öffnete und Carter in seinem Geländewagen durch die Schneeverwehungen zur Garage fuhr. Eine Welle der Erleichterung überrollte sie, und sie vermochte den Blick nicht von ihm zu wenden, dem großen, sehnigen Ordnungshüter, dem sie nun die ungewollte Rolle ihres persönlichen Helden zuwies. Was lächerlich war. Dennoch konnte sie sich nicht zurückhalten, eilte in die Küche und öffnete ihm die Tür. Albern, wie sie war, warf sie sich ihm entgegen, und er schloss sie in seine kräftigen Arme, drückte sie fest an sich. »Gott sei Dank, dass Sie da sind«, stieß sie hervor, den Tränen gefährlich nahe, während der schneidend
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